II
Schwester Monika fährt fort zu erzählen. Ohne Falcks Helden und Menschen in Anschlag zu bringen, sprechen unsere Helden und Menschen sich immer deutlicher aus.
Ich habe euch unsere Ankunft in Teschen erzählt; hört nun weiter!
Wir fuhren bei unserer Tante vor. Ich hatte diese Tante noch nicht gesehen. Sie hatte so etwas Strenges im Gesicht, dass sie gegen das immer freundliche Antlitz meiner Mutter aussah wie drei Tage Regenwetter nach einer schönen Frühlingssonne von vier Wochen.
»Ei, schon so groß, so hübsch gewachsen, ma nièce!26«, fing sie gegen mich an.
»O ja, gewachsen ist sie«, fiel meine Mutter ein, »aber« – hier sagte sie Tante etwas ins Ohr – »die Kenntnis ihrer Natur erstreckt sich schon bis an die Wendezirkel, und da – ihr Herr Zuchtmeister – hat schon Physik mit ihr studiert.«
»Est-il possible!«27, schrie die Tante und legte ihre Hände ineinander.
Gervasius wurde feuerrot, ich schlug die Augen nieder, errötete gleichfalls, und Linchen spielte an ihrer Busenschleife.
»Ich wünschte, Schwester«, fing meine Mutter an, nachdem sie sich an der Verlegenheit von uns dreien geweidet hatte, »dich allein zu sprechen. Willst du nicht so gut sein, diesem Herrn da und meinem Mädchen ihre Zimmer anzuweisen, ich werde diesmal etwas lange bei dir hausen und vieles Geld bei dir lassen.«
»Sogleich, Schwester, sollst du bedient werden«, versetzte jene, schellte, gab dem eintretenden Bedienten ihre Befehle, und Gervasius und Linchen verließen mit ihm das Zimmer.
»Stell dir vor, Schwester«, fing jetzt meine Mutter an, »mein Malchen glaubt steif und fest, aus lauter Lust zusammengesetzt zu sein, und die wenigen Begriffe, die ich ihr vom Schmerz gegeben habe, haben durchaus keine bleibenden Eindrücke je noch auf ihr zurückgelassen.«
»Ei, Ei, mon enfant«, versetzte die Tante, »das ist nicht gut! In der Welt wohnt die Lust auf dem Dache bei den Sperlingen, die fliegen davon, wenn es ihnen zu wohl ist; aber der Schmerz liegt wie ein Kettenhund im Hof und muss beständig entweder beißen oder bellen.«
»Ich will Malchen hierlassen«, fuhr meine Mutter fort, »weißt du nicht in der Nähe ein Institut für Mädchen ihrer Art, so eines, wo die Lust Ferien hat und die Unlust den Tag und die Nacht herumtreibt?«
»Hm, Schwester, wir tun sie zu Madame Chaudelüze, dort lernt sie alles, was verdrießlich macht, und hat dabei nicht einmal Muße, sich darüber zu beklagen.«
Wie ich die beiden so reden hörte, wurde mir angst und wehe, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Ei, wer wird weinen, mon enfant«, tröstete die Base, »hast du nicht gelesen, was der Apostel Paulus alles gelitten hat, und das war doch ein Heiliger, und du bist eine unzeitige Geburt schnöder Lüste? – Ma sœur.«
»Wenn du willst, so wollen wir die Kleine gleich fortschaffen?«
Ich fiel bei diesen gewitterschwangeren Worten meiner Mutter zu Füßen; aber da war keine Barm