: Ernst Peter Fischer
: Hinter dem Horizont Eine Geschichte der Weltbilder
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644100183
: 1
: CHF 13.00
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: Philosophie: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vom Lebensbaum bis Google Earth: über die Bilder, mit denen wir uns die Welt erklären. Was ist die Welt, und wie sieht sie aus? So lautet eine der ältesten Fragen der Menschheit, und noch heute begegnen wir ihr nicht anders als in Urzeiten: Wir entwerfen Weltbilder, die da anfangen, wo unsere Sinneswahrnehmung aufhört. Ernst Peter Fischer erzählt so spannend wie lehrreich die Geschichte jener Bilder, die den Menschen und seine Zeit spiegeln und zugleich fundamental prägen: von der babylonischen Vorstellung einer Scheibe unter dem Firmament, die sich auch im Alten Testament findet, über den Lebensbaum der Maya, der Himmel und Erde, Leben und Tod verbindet, bis hin zu den Aufnahmen, die den Erdball erstmals aus dem All zeigten. Fischer berichtet von Entdeckungsfahrten und Kartographie, von dem Blick durch das Teleskop wie durch sein Gegenstück, das Mikroskop - denn nicht nur im Größten, auch im Kleinsten, in Genen und Atomen, liegen Weltbilder begründet. Wie sich zeigt, hat die moderne Wissenschaft die Welt keinesfalls «entzaubert», sie hat nur unsere Horizonte verschoben. Doch wo liegen die Horizonte, die es heute noch zu überwinden gilt? Ernst Peter Fischer nimmt das große Ganze in den Blick. Er erkundet eine Grundlage des menschlichen Selbstverständnisses, die Welt in unseren Köpfen - so ist diese Geschichte der Weltbilder auch eine Geschichte der Menschheit.

Ernst Peter Fischer, geboren 1947 in Wuppertal, studierte Mathematik, Physik und Biologie und habilitierte sich 1987 im Fach Wissenschaftsgeschichte. In den Jahren darauf lehrte er als Professor an den Universitäten Konstanz und Heidelberg. Als Wissenschaftspublizist schreibt er unter anderem für die «Welt» und «Focus». Fischer ist Autor zahlreicher Bücher, darunter des Bestsellers «Die andere Bildung» (2001). 2015 erschien «Durch die Nacht. Eine Naturgeschichte der Dunkelheit».

1.Einblicke


Eine Welt und viele Bilder

Es gibt Wörter, die jeder benutzt und zu verstehen scheint und die deshalb kaum einer Erläuterung bedürfen. Wer hat nicht schon von der oder einer «Welt» gesprochen – von der Welt im Kopf ebenso wie von der Welt im Kochtopf –, ohne sich dabei besondere Gedanken darüber zu machen, was das Wort in diesem wie in jenem Fall bedeutet? Und wer fragt sich noch, was ein Bild ist, wo man doch tagtäglich von einer Flut – vor allem unzähliger zappelnder Fernsehbilder – überschwemmt wird und nach statistischen Schätzungen heute während eines Fußballspiels in einem vollen Stadion mehr Bilder aufgenommen werden als während des ganzen 19. Jahrhunderts? Wobei vermutlich ein einziges Bild aus der alten Zeit mehr Betrachter gefunden hat als die Millionen von heute.

Wer mit dem Begriff der Welt und dem Betrachten von Bildern vertraut ist, dem fällt darüber hinaus die Rede von einem «Weltbild» leicht. Wir können uns Weltbilder sogar in bunter Vielfalt denken und dann munter miteinander vergleichen. Jeder wird mühelos verstehen, was das mechanische Weltbild der Physik mit den dazugehörigen Gesetzen für die Bewegungen von materiellen Körpern meint, und sich wundern, wenn zu erfahren ist, dass dieses Bild angeblich zerstört worden ist. Auch wird jeder unmittelbar erfassen, was Zeitungen in diesen Tagen meinen, wenn sie Terroristen unterstellen, ein «rechtsextremistisches Weltbild» zu propagieren, das Hass auf unschuldige Menschen mit sich bringt. Und jeder Leser begreift sofort, was Patrick Süskind vor Augen oder anderen Sinnesorganen hat, wenn er in seinem Roman «Das Parfum» einen Dufthersteller erleichtert feststellen lässt, dass sein «parfümistisches Weltbild» wieder in Ordnung ist, nachdem er verstanden hat, wie eine wohlgefällige Duftnote zustande gekommen ist. Ein Weltbild zu haben kann einfach eine Sicht der Dinge meinen, die einem allgemein passt oder an besonderer Stelle gelegen kommt, und niemand wird Mühe haben, das eigene Weltbild einmal daraufhin zu prüfen.

Wenn auch jedem das Trio aus den beiden Einsilbern «Welt» und «Bild» und dem Kompositum «Weltbild» schon mehrfach untergekommen ist, so soll hier dennoch der Versuch unternommen werden, die Begriffe etwas genauer zu fassen und sie knapp zu explizieren, ohne sie ausführlich definieren zu wollen. Der Versuch einer Definition wäre eher kontraproduktiv, denn in dem Wort «Definition» steckt das lateinische «finis», also das Ende, wobei damit das Ende des Erkundens gemeint ist, das zu einer abschließenden Festlegung führen soll. Diese zieht tatsächlich eine künstliche Grenze, hinter der nichts weiter von Belang erwartet wird, weshalb sie – außer zur Warnung – gar nicht erst in Betracht kommen soll.

Was die «Welt» angeht, so meint das Wort zum Beispiel den Gegenstand einer Wissenschaft namens Kosmologie, die exotische Objekte wie Schwarze Löcher oder Rote Riesen findet. Es kann aber auch die Erde und die Menschen erfassen, die auf ihr leben, und das kurze Wort kann darüber hinaus ganz allgemein die Gesamtheit der physischen Wirklichkeit benennen, wobei derjenige, der von dieser Welt spricht, keine besondere Einstellung ihr gegenüber vertreten muss.

Was das «Bild» angeht, so fällt sofort auf, dass es zum einen innere und äußere Bilder gibt – man kann sich schließlich sowohl etwas einbilden und vorstellen als auch Fotografien oder Gemälde betrachten – und dass es sich zum Zweiten lohnt, Bilder, die jemand Punkt für Punkt und Strich für Strich auf einer Leinwand zustande gebracht hat, von denen zu unterscheiden, die jemand mit einer Kamera und einem einzigen Druck auf den Auslöser aufgenommen hat. Bilder werden – wie die Welt selbst – mit Augen betrachtet, wobei seit der Romantik bekannt ist, dass es neben den äußeren Sehor