: Rolf Steiner
: Der Holunderkönig Von einem, der auszog Peter Handke zu treffen
: Haymon
: 9783709938058
: 1
: CHF 14.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Spurensuche in Chaville Ein Mann bricht eines Morgens nach Chaville nahe Paris auf, um das Haus von Peter Handke, für den er schon lange schwärmt, zu finden. Er fragt in der örtlichen Buchhandlung nach und im Rathaus, zieht Häuser in die engere Wahl und kehrt in Bistros ein, in denen er sich Handke vorstellen kann. Seine Suche, grundiert mit Reflexionen über dessen Werk, mündet in einen Bericht, den er dem verehrten Schriftsteller eines Tages im Frühjahr hinter sein Gartentor stellt. Da beginnt ein Briefwechsel, der schließlich in einer Einladung Handkes zu einem Treffen in seinem Haus gipfelt. Kluge und spielerische Annäherung an Peter Handke und sein Werk Diese schwärmerische Geschichte rankt sich um das klassische Thema vom 'Traum, der Wirklichkeit wird' und erstreckt sich über einen Zeitraum von zehn Jahren. Freundlich und klug, spielerisch und sanft gestaltet Rolf Steiner seine Reise in die Welt des österreichischen Autors: eine umsichtige und gleichzeitig leidenschaftliche Annäherung, die mehr ist als eine Suche nach dem Niemandsbuchtler, dem Holunderkönig - es ist eine Liebeserklärung an die Literatur und die Kunst überhaupt. Und es ist ein wunderbares Buch für Anhänger einer vergangenen analogen Welt, in der man noch voller Aufregung Briefe öffnet und sich über die Pilz- oder die Walnussernte austauscht.

Rolf Steiner, geboren 1951 in Köln, arbeitet als Schriftsteller und Bildender Künstler sowie als Grenzgänger (Schrift-Steller) zwischen Wort und Bild. 'Der Holunderkönig' zeichnet seine über zehn Jahre dauernde Annäherung an Peter Handke und dessen Werk nach.

Über das
Schwärmen


 

Es war der 18. September 1970. Ich stieg die Gangway herunter, war von der West- zurück an die Ostküste geflogen, von Los Angeles nach Philadelphia, und hatte Kalifornien, das damals gelobte Land, hinter mir gelassen. Ein zukünftiger Arbeitskollege holte mich bereits auf dem Rollfeld ab. Jimi Hendrix ist tot, sagte er zur Begrüßung. Mir verschlug es die Sprache. Hatte er nicht gerade noch, vor wenigen Tagen, in Deutschland ein Konzert gegeben, auf der Insel Fehmarn? Während der gesamten anschließenden Fahrt nach Camden, New Jersey, wo ich in meiner Eigenschaft als Kriegsdienstverweigerer am nächsten Tag in einer von Schwarzen und Puerto-Ricanern bewohnten Gegend meinen Ersatzdienst antreten sollte, blieb ich stumm, ja, war geradezu mit Stummheit geschlagen.

Jimi Hendrix war mein erster Schwarm. 1966 hörte ich zum ersten MalHey Joe. Ich lebte damals im Internat, ging in die Obertertia, und wir taten in unserer Freizeit nichts anderes als Rockmusik zu hören. Als seine Gitarre in meine Welt einbrach, war nichts mehr wie vorher. Sein Spiel kehrte mein Innerstes nach außen, machte mich taub gegen musikalische, überhaupt gegen jegliche Art von ‚Unterhaltung‘, ermöglichte mir die Flucht aus dem langweiligen Internatsalltag und linderte Kummer und Selbstzweifel.

Im Januar 1969, ich war siebzehn Jahre alt, sah ich Hendrix zum ersten Mal leibhaftig auf der Bühne. Ich hatte eine Sondererlaubnis bekommen, fuhr am Nachmittag mit dem Zug vom Internat in meine Heimatstadt, holte das um einige Zentimeter zu lange Haar, das ich immer hinter den Ohren versteckte, hervor, schloss mich in der Zugtoilette ein, schlüpfte in die damals angesagte Kleidung, die ich im Internat nicht tragen durfte, Schlaghose und gebatiktes T-Shirt, und entstieg dem Zug als freier junger Mann.

Was mir von dem Konzert am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist, ist die Stille, die während seines Gitarrenspiels im weiten Rund der Sporthalle geherrscht hatte und in die sich die Soli ergossen wie in ein großes Gefäß. Zutiefst bewegt, fuhr ich am späten Abend zurück ins Internat: Er war mir erschienen.

Nun dringt seine Musik aus dem Zimmer meines