Inez Flambert
DAS VORSTELLUNGSGESPRÄCH
»Danke, Herr Kern, Sie hören von uns!« Konstanze reichte dem Bewerber die Hand; er schüttelte sie mit festem Griff und sah ihr dabei tief in die Augen. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. »Herr Riedel begleitet Sie nach unten.« Sie nickte dem Leiter der Personalabteilung zu, der mit dem jungen Mann ihr Büro verließ.
Konstanze ging zu der großen Fensterfront hinter ihrem Schreibtisch und schaute hinunter auf den Firmenparkplatz. Aus irgendeinem Grund war sie neugierig, welchen Wagen dieser Herr Kern fuhr. Sie hatte heute schon drei Vorstellungsgespräche geführt, und der letzte Bewerber kam eigentlich nicht in die engere Wahl: Er war noch so jung, erst Ende Zwanzig, und aus ihrer Sicht weniger für den Job geeignet.
Konstanze hatte vor kurzem die nächste Stufe der Karriereleiter erklommen und war zur kaufmännischen Leiterin befördert worden. Ihre frühere Sekretärin hatte sich in den Ruhestand verabschiedet und sie war darum auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger. Ganz bewusst wollte sie die Stelle diesmal mit einem Mann besetzen. Da sie selbst um ihr aufbrausendes Temperament wusste – böse Zungen behaupteten sogar, dass sie zu cholerischen Anfällen neigte –, brauchte sie jemanden mit einem robusten Gemüt, der sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sie wollte einen Mitarbeiter, der ihr etwas entgegenzusetzen hatte.
Eine starke Hand, schoss es ihr durch den Kopf.
Konstanze war wegen ihrer eigenen Gedanken verwirrt; so hatte sie sich selbst noch nie gesehen. Aber wie auch immer: Alexander Kern kam für die Position sicher nicht in Frage. Zugegeben, er hatte ihr vom ersten Moment an optisch sehr gut gefallen … aber so eine Ablenkung konnte und wollte sie sich sicher nicht leisten.
Wo blieb er eigentlich? Stefan Riedel war längst zu seinem grauen VW gegangen und davongefahren. Während Konstanze ungeduldig ihre Hände in die Hüften stemmte und den Parkplatz nicht aus den Augen ließ, der sich am späten Freitagnachmittag fast verlassen dalag, bemerkte sie nicht, wie sich langsam die Tür ihres Büros öffnete und ebenso leise wieder geschlossen wurde.
Konstanze erschrak fast zu Tode, als sich plötzlich ein Arm von hinten um ihren Hals legte und eine große Hand ihren Mund bedeckte. Augenblicklich fing sie an zu schreien und ihre Ellbogen in den großen, muskulösen Körper hinter ihr zu rammen.
»Pscht, ruhig! Ich bin es nur.« Seine Stimme war angenehm tief und dunkel. Und obwohl die Situation für sie kein bisschen ihrer Absonderlichkeit einbüßte, beruhigte sie sich trotzdem augenblicklich, als sie erkannte, dass es dieser Alexander Kern war, der hinter ihr stand und sie im Schwitzkasten hielt. Sie verstummte. Ihr Herz raste.
Vor Angst?
Vor Aufregung! Was erlaubte sich dieser Flegel? Oder versprach er sich gar etwas davon, nach einem Vorstellungsgespräch in ihr Büro zurück zu schleichen und sich so ungeniert an sie heranzumachen?
Alexander Kern flüsterte jetzt in ihr Ohr: »Ich hatte den Eindruck, dass du nicht ganz von meinen persönlichen Fähigkeiten überzeugt bist, Konstanze. Ich wollte erst diesen Personalheini loswerden, um nur dir mein Durchsetzungsvermögen zu demonstrieren.«
Sein Mund so dicht an ihrem Ohr bescherte Konstanze eine Gänsehaut. Ihre Nippel wurden hart, ihr Puls raste und ihr Atem ging plötzlich nur noch stoßweise. Seine Hand gab ihren Mund frei, gleichzeitig umschlang er ihre Taille mit beiden Armen und hob sie hoch.
»Was ..:«, stieß sie hervor, irritiert, verärgert – und zunehmend erregt.
Alexander Kern machte sich nicht die Mühe, ihr zu antworten. Er trug sie einfach zur Wand neben ihrem Schreibtisch und drückte sie mit dem Gesicht dagegen. Dabei presste er seinen Körper gegen ihren, ganz deutlich spürte sie seine Erektion an ihrem Po. Konstanze stöhnte auf. Für einen kurzen Moment bekam sie es doch mit der Angst zu tun. Wollte er sie etwa am helllichten Tage in ihrem eigenen Büro vergewaltigen?
»Sag nur ein Wort und ich gehe«, raunte er.
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