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Ansteckendes Frauengelächter hallte durch den warmen, gemütlichen Bau. »O Mari! Das ist aber keine Illustration zu dem Mythos, den ich dir gerade erzählt habe!« In der einen Hand ein Blatt handgeschöpftes Papier, die andere vor den Mund gepresst, versuchte Maris Mutter vergeblich, den nächsten Lachanfall zurückzuhalten.
»Du erzählst die Geschichten, Mama. Ich zeichne sie. So geht das Spiel, das weißt du doch! Unser Lieblingsspiel.«
»Schon«, sagte Leda und versuchte, ein etwas ernsteres Gesicht zu machen. »Aber meistens läuft es darauf hinaus, dass ich die Geschichten erzähle und du zeichnest, was du gehört zu haben glaubst.«
»Ist das denn schlimm?« Mari stellte sich neben ihre Mutter und betrachtete ebenfalls die Zeichnung. »Genau das hier hab ich vor Augen gehabt, als du die Geschichte von Narziss und Echo erzählt hast.«
»Mari, so wie du die Verwandlung von Narziss in eine Blume gemalt hast, das ist – einfach urkomisch! Wie die eine Hand schon ein Blatt ist, die andere noch Hand, und genauso ist es mit«, Leda unterdrückte ein Kichern, »ein paar anderen Teilen. Und dieser Schnurrbart – und der Gesichtsausdruck! Man muss schon ein besonderes Talent haben, um eine Mischung aus jungem Mann und Blume derart komisch darzustellen! Und Echo«, Leda zeigte auf die geisterhafte Nymphe, die der Verwandlung zusah und der es Mari irgendwie gelungen war, eine restlos genervte Miene zu verpassen, »sieht aus, als …« Leda suchte nach Worten.
»Als hätte sie die Schnauze voll von Narziss und seinem Ego?«, schlug Mari vor.
Leda gab es auf, ermahnend klingen zu wollen, und lachte hemmungslos. »Ja, genau so sieht sie aus! Aber so habe ich die Geschichte nicht erzählt.«
Mari wackelte mit den Augenbrauen. »Tja, Leda, das hab ich zwar gehört, aber beim Zeichnen hab ich beschlossen, dass am Schluss definitiv etwas fehlte.«
»Am Schluss? Tatsächlich?« Leda gab ihrer Tochter einen Stoß mit der Schulter. »Und nenn mich gefälligst nicht Leda.«
»Aber du heißt doch Leda.«
»Für alle anderen. Für dich bin ich Mutter.«
»Mutter? Wirklich? Das ist doch –«
»Respektvoll und traditionsbewusst?«, bot Leda an.
»Altmodisch und fad.« Mit funkelnden Augen wartete Mari auf die vorhersehbare Antwort ihrer Mutter.
»Altmodisch und fad? Hast du mich gerade altmodisch und fad genannt?«
Kichernd hob Mari die Hände zur Kapitulation. »Ich? Dich? Niemals, Mama, nie im Leben!«
»Na gut. Und Mama ist in Ordnung. Besser als Leda.«
Mari grinste. »Mama, die Diskussion führen wir seit achtzehn Wintern.«
»Mari, mein süßes Mädchen, du hast zwar schon achtzehn Winter erlebt, aber diskutieren konntest du in den ersten davon zum Glück noch nicht! Ich bin ja froh, dass ich noch ein paar Jahre Ruhe hatte, bis du angefangen hast zu reden und damit nicht mehr aufgehört hast.«
»Mama, du hast mal erzählt, du hättest angefangen, mir das Reden beizubringen, als ich noch keine zwei Winter alt war!«, sagte Mari gespielt erstaunt, griff nach dem angespitzten Kohlestück, mit dem sie zeichnete, und nahm ihrer Mutter die Zeichnung aus der Hand.
»Ja, und ich habe auch schon zugegeben, dass ich nicht perfekt war. Ich war eine sehr junge Mutter, die versuchte, ihr Bestes zu tun«, schloss Leda theatralisch und überließ ihrer Tochter die Zeichnung.
»Extrem jung, oder?« Mari hielt die Zeichnung so, dass Leda sie nicht sehen konnte, und fügte etwas hinzu.
»Und wie.« Leda versuchte, über Maris Arm hinwegzuspähen. »Ich hatte sogar einen Winter weniger erlebt als du jetzt, als ich deinen wundervollen Vater traf, und …« Stirnrunzelnd brach Leda ab, weil Mari zu kichern begann.
»Schau mal, jetzt ist es besser!« Sie h