WIE ALLES BEGANN
Am 30. April 1960 saß ich an einem knackig kühlen Morgen im Wartezimmer des Lower Bucks Hospital in Bristol im Bundesstaat Pennsylvania. Meine Frau Loretta war im Kreißsaal. Drei Jahre zuvor hatten wir unser erstes Kind bekommen, einen Sohn, den wir Ronnie getauft hatten. Jetzt erwarteten wir Zwillinge. Loretta war Krankenschwester. Ihre Schwester Dolores stand ihr bei der Entbindung bei. Ich saß da und wartete, wartete und wartete, wobei ich mit jeder Stunde, die verstrich, nervöser wurde. Schließlich gingen die Türen auf und der Geburtshelfer, Dolores und eine zweite Krankenschwester kamen heraus. Alle drei hielten Deckenbündel in der Hand. Du liebe Güte, dachte ich, es sind Drillinge! Wenigstens würden wir noch weniger Steuern zahlen. Wir waren ja schon darauf vorbereitet, dass Loretta Zwillinge bekommen sollte, was machte da noch ein Kind zusätzlich. Ich mochte Kinder. Ich hatte sie gern um mich herum. Also sprang ich auf und eilte auf Dolores zu. Ich schlug die Decke zurück und blickte in die blauen Augen meiner Tochter Denise. »Hallo, Kleines!«, sagte ich und gab ihr einen Kuss. Die nächste Decke wurde gelupft. Wieder blaue Babyaugen. Sie gehörten David. Ich gab ihm auch einen Kuss. Da warf plötzlich die dritte Krankenschwester ihre Decke in die Luft, und sie lachten mich im Chor aus. Ein kleiner Streich auf Kosten des stolzen Papas und der Beginn meiner Beziehung zu meinem Sohn David.
Ich weiß, dass das Leben manchmal verschlungene Pfade geht und die Zukunft uns verschlossen ist, doch wenn ich an diesen Augenblick zurückdenke, an meinen ersten Blick in das süße kleine Gesicht, dann begreife ich heute noch nicht, was da passiert ist.
Der Hauptgrund für dieses Buch ist, dass ich nachvollziehen möchte, welchen Weg Davids Leben genommen hat. Er ist heute ein erwachsener Mann in mittleren Jahren, und ich sehe immer noch dieselbe Intelligenz und Energie in ihm, die ihm als Kind eigen waren. Doch während er diese Gaben früher dafür einsetzte, gute Noten zu bekommen oder einen Baseball gut zu schlagen, ist er heute Vorsitzender eines Millionen-Dollar-Unternehmens, das sich als Kirche bezeichnet. Und dieses Unternehmen ist so kontrovers wie streitbar, so manipulativ wie verschlossen, so zwanghaft, wie es – in meinen Augen – böse ist. Ja, ich glaube fest, dass Scientology sich mittlerweile zu einer unmoralischen Organisation entwickelt hat, die unter dem Schutz des Ersten Zusatzartikels unserer Verfassung, der die Religionsfreiheit garantiert, eine lange Reihe von Schandtaten begangen hat.
Ich kam in den Kohlerevieren von Pennsylvania zur Welt. Dort hat man mir einen gesunden Respekt für Ehrlichkeit und harte Arbeit beigebracht, aber auch viel gesunden Menschenverstand, der Regeln, Gesetze und Autorität stets hinterfragt. Damit will ich sagen, dass der Geist eines Gesetzes stets über dem Buchstaben steht. Als Loretta und ich unsere Familie gründeten, versuchten wir, diese Werte an unsere Kinder weiterzugeben. Wir hatten zwei Jungen und zwei Mädchen: Ronnie, die Zwillinge Denise und David sowie die Jüngste, Lori. Jedes der Kinder hat den Wert harter Arbeit kennengelernt, aber ich komme immer mehr zu der Einsicht, dass Eltern ein Kind nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen können. Letztlich ist es selbst für seinen Weg verantwortlich.
David ist nun schon seit vielen Jahren der Kopf und die oberste Autorität der Church of Scientology. In den frühen Achtzigerjahren bekam er zum ersten Mal einen gewissen Einfluss. Die volle, unbestrittene Kontrolle erlangte er einige Jahre später, nachdem er sich einen Machtkampf mit den beiden Nachfolgern von L. Ron