VIER
»Ihr vollständiger Name, Mademoiselle?«
»Giustina Osvalda Ilaria Cantalamessa.«
»Cantalamessa?«
Giustina Tedesco hob den Blick zum Leutnant, einen beschwörenden Blick, den sie kurz auf ihm ruhen ließ, um dann zu antworten:
»Ja. Auf den Plakaten ist der Name Tedesco zu lesen, aber das ist nur mein Künstlername. Eigentlich heiße ich Cantalamessa.«
»So wie der Impresario, der die Aufführung organisiert hat.«
»Ja. Wie soll ich ... Darf ich auf Ihre Diskretion zählen, Herr Leutnant, als Mann und als Soldat?«
»Gewiss, Mademoiselle.«
»Madame. Wissen Sie, Bartolomeo und ich sind verheiratet.«
Und das war für Leutnant Pellerey die zweite Überraschung.
Die erste hatte er vor einer halben Stunde erlebt, kurz nachdem er den Leichnam des Tenors Ruggero Balestrieri in dessen Garderobe auf eine Pritsche gebettet hatte, das weiße Hemd des Künstlers blutdurchtränkt. Der Leutnant hatte Unterleutnant Fresche als Wache in der Garderobe postiert. Als er dann die Tür hinter sich zugezogen hatte, war vor seinen Augen Tosca persönlich erschienen.
Was immer sich um uns herum abspielt, wir können uns weigern, etwas anzusehen, es zu berühren oder daran zu riechen, Geräusche allerdings lassen sich nicht übergehen; und so hatte Leutnant Pellerey, obgleich er über die Sicherheit seines Königs zu wachen hatte und die Augen (pardon, das Auge) wachsam aufs Parkett gerichtet hielt, auf die Gefahren, die von dort kommen mochten, doch nicht umhingekonnt, Giustina Tedesco singen zu hören.
Und selbst wenn er gekonnt hätte, er hätte es nicht gewollt.
Weshalb es ihn nun ins Herz traf, dieselbe Halbgöttin vor sich stehen zu sehen, die ihn noch vor ein paar Stunden im Liegen bezaubert hatte, während sie davon sang, für Kunst und Liebe gelebt zu haben.
Nicht, dass die Sopranistin Gelassenheit ausgestrahlt hätte. Im Gegenteil. Sie wirkte mehr wie Tosca als je zuvor.
»Mademoiselle ...«
»Ich will ihn sehen.«
»Mademoiselle, es empfiehlt sich wohl nicht ...«
»Aus dem Weg, Büttel.«
Mit einer gewandten Drehung schob sie sich am Leutnant vorbei und schritt entschlossen auf Ruggero Balestrieris Garderobe zu. Als sie die Tür öffnete, offenbarte sich ihr der trostlose Anblick eines Mannes, der tot auf einer Pritsche lag, gleichwohl bewacht von einem Carabiniere in Zivil.
»Ruggero ...«
Sie hielt inne.
»Ruggero ...«, wiederholte sie, doch in einem anderen Tonfall.
Dann drehte sie sich zum Leutnant um:
»Ist er tot?«
»Mademoiselle ...«, sagte der Leutnant überrascht.
Und noch überraschter vernahm Le