Kapitel I
Königreich Telonia, Baronie Walfor
Bleibt dicht zusammen.« Vimith kniete auf dem Boden, presste eine Hand in den nassen Dreck. Am Nachmittag waren kräftige, kurze Schauer niedergegangen, die dem Waldboden Feuchtigkeit spendeten und ihn kühlten. Vimith spürte die Magie, die in der Erde pulsierte und lebte, ohne dass er sie einzuordnen vermochte. »Das wird kein Spaziergang.«
Um ihn herum standen die Sieben Krähen, dreißig Klingen stark, ihres Zeichens die beste Söldnertruppe von allen käuflichen Kriegern im Königreich Burgonn. Jeder und jede von ihnen trug eine andere Rüstung, auf der das Abzeichen der Einheit prangte. Sie waren von einem Mittelsmann angeheuert worden, um die verlorene Baronie Walfor im Nachbarreich Telonia zu erkunden und ihre Beobachtungen auf Karten einzuzeichnen. Ihre Pferde hielten sie an den Zügeln; sie waren an der Grenze zu Walfor abgestiegen.
»Was meinst du damit?« Etmond, der glatzköpfige Anführer ihrer Einheit, kreuzte die Arme vor der breiten Brust, ohne die Leine loszulassen. Sein Rapphengst schnaubte. »Kein Spaziergang im Vergleich zu welchem unserer Einsätze?«
»Eines jeden.« Vimith, ein ungewöhnlich filigraner Mann im Kreis der Söldner, verstand sich auf Magie, was im Gefecht ebenso von Vorteil war wie bei der anschließenden Heilung. Außer ihm verfügte von den Sieben Krähen noch Atha über ein magisches Grundwissen, das sich dafür eignete, aus Zauber gewobene Fallen aufzuspüren. Doch gegen Dämonen und andere mächtige Gegner wäre die junge Frau hilflos.
»Ist das nicht ein wenig dramatisch?«, erkundigte sich Listhan unbehaglich, der seine geringe Körpergröße durch Geschwindigkeit im Kampf wettmachte. »Hier lebt doch nichts und niemand mehr.«
»Nichts und niemand, dendu sehen kannst«, verbesserte Vimith und erhob sich, rieb die schmutzige Hand am Fell seines Apfelschimmels ab, bis die Flammentätowierungen auf der Innenseite zum Vorschein kamen. »Ich habe die Magie gespürt, die verborgen unter unseren Füßen auf diesem Land tobt. Aber es ist keine Magie, wie ich sie kenne.«
»Sondern?«, verlangte Etmond zu wissen.
»Ich kann es dir nicht sagen.« Vimith suchte nach passenden Worten. »Als kämpfte der Zauber eines Witgos gegen einen anderen, ohne dass sie an Kraft verlieren oder sich gegenseitig aufheben. Das genaue Gegenteil geschieht: Sie wirken aufeinander ein und verändern sich.«
»Wie kann das sein?« Die dunkelhaarige Atha legte ihre Linke an das Bronzeamulett von Timera, der Göttin der Magie, das an einem Lederband eng um ihren Hals hing. »Ich dachte, Hexerei sei in Telonia verboten?«
»Das ist sie auch.« Etmond bedeutete seiner Truppe, in die Sättel zu steigen, und schwang sich auf den Rücken seines Hengstes. Er richtete seinen Mantel und das Schwert, packte die Zügel und ließ den Rappen antraben. »Deshalb hat man uns angeheuert. Sie haben keine Witgos und Witgas mehr, die das übernehmen könnten, was wir tun sollen.«
»Das wird für uns nicht weniger zum Problem. Es ist eine unbekannte Art der Magie.« Vimith stemmte sich auf sein Pferd, seine dunkelblonden Locken federten. »Ein mächtiger Fluch kam zum Einsatz, und ich vermute, er wurde von der Witga des Königs gesprochen. Aber er wird ununterbrochen von diesem zweiten Zauber attackiert, aufgehalten, umwoben.«
»Woher bezieht dieser Zauber seine Energie?« Atha zeigte sich äußerst wissbegierig. Vimith bedauerte, dass sie niemals so gut sein würde wie er, weshalb er sie auch nicht weiter unterrichtete. Er wollte seine Zeit nicht verschwenden. Er hatte ihr einen Mèstre empfohlen, der sich auf das Erspüren und Errichten magischer Fallen verstand, aber sie war nach dem ersten Besuch bei ihm nicht sonderlich begeistert gewesen. Sie wollte eine Kämpferin, keine Entschärferin sein. »Müsste die Energie nicht längst aufgebraucht sein?«
»Es ist mir unerklärlich.« Vimith sah besorgt zu Etmond. »Deswegen sagte ich: Es wird kein Spaziergang. Ringsherum lauert Gefahr. In allem, was uns umgib