1. Kapitel
Ich betrat das Museum Hand in Hand mit einem Halb-Dämon, während draußen beim Auto ein Gargoyle auf mich wartete. Schon als Geschichtsstudentin hatte ich oft von einer Tour durch europäische Museen geträumt – wäre aber nie darauf gekommen, dass mein Wunsch sich einmal auf diese Weise erfüllen würde.
Adrian, besagter Halb-Dämon und mein frisch angetrauter Ehemann, wandte sich an die Aufseherin. »Wir wollen die Führung um sechzehn Uhr mitmachen.«
»Die Sechzehn-Uhr-Gruppe wartet da drüben.« Sie deutete auf ein paar Leute, die sich ungefähr fünf Meter entfernt zusammengefunden hatten.
Also stellten wir uns in die Nähe der anderen Besucher. Mit dem Finger zeichnete Adrian den Verlauf des Tattoos auf meinem rechten Handrücken nach. Der Rest des geflochtenen Seils wurde von meinem langen Ärmel verdeckt, während die andere heilige Waffe, die auf übernatürliche Weise mit meiner Haut verschmolzen war, unter meiner hochgeschlossenen Bluse verschwand. Falls die heilige Waffe, nach der wir gerade suchten, tatsächlich hier war, würde ich mir zweifellos ein drittes übersinnliches Tattoo einhandeln, das möglicherweise eines Tages meinen kalten Leichnam schmücken würde.
»Spürst du irgendwas, Ivy?«, flüsterte Adrian.
Ich warf mein inneres Radar an und empfing neben den schwachen Schwingungen, die einfach nur belegten, dass wir uns auf geweihtem Boden befanden, einige machtvolle Energieschübe von den diversen Reliquien, die in diesem Museum ausgestellt waren. Doch keine davon schien mir stark genug zu sein, um damit eine Schneise durch jedes existierende Dämonenreich zu schlagen – und einzig hinter diesem speziellen Relikt waren wir her.
»Nein«, antwortete ich frustriert.
Ich hatte die Macht, nach der wir suchten, weder vorige Woche im Petersdom in Rom gewittert noch vor ein paar Tagen in der Wiener Hofburg. Jetzt befanden wir uns in der Kathedrale von Etschmiadsin in der armenischen Provinz Armawir – der weltweit dritten Institution, die sich mit dem Besitz der Longinuslanze brüstete, die auch unter der Bezeichnung Heilige Lanze geführt wurde. Es handelte sich um die letzte der heiligen Waffen, und das Schicksal schien offenbar mich dazu bestimmt zu haben, die Macht dieser Relikte zu verwenden. Doch wenn mein angestammtes Radar für derlei Dinge recht behielt, galt der Spruch »Aller guten Dinge sind drei« in diesem Fall leider nicht. Ich konnte heilige Objekte verlässlich orten, und da ich gerade nichts spürte, war der legendäre Speer auch nicht hier – es sei denn, Schutzzauber wehrten meine Fähigkeiten ab.
Ich schätzte unsere Erfolgschancen nicht besonders optimistisch ein. »Wenn die echte Lanze tatsächlich an einem der Orte wäre, an denen sie sich angeblich befinden soll, dann hätten Dämonen sie schon vor Jahrhunderten gestohlen.«
Eine Museumsbesucherin in Hörweite sah mich bestürzt an. Lässig winkte ich ihr zu und machte mir keine Sorgen, dass die schockierende Wahrheit über Dämonen, dämonische Lakaien, Archonten – besser bekannt als Engel – oder andere übersinnliche Kreaturen ans Licht kommen könnte.