1. KAPITEL
Sechs Monate später
„Bitte, Carrie, tu mir den Gefallen“, bettelte Lulu. Von den Tränen war ihre Wimperntusche völlig verschmiert. „Wenn Darren die Nachricht abhört, schmeißt er mich raus!“
„Ich will dir ja helfen. Das weißt du.“ Besorgt sah Carrie ihre Freundin an. „Aber wäre es nicht besser, wenn du es selbst tätest? Niemand würde sich etwas dabei denken, wenn du ins Arbeitszimmer deines Mannes gehst und sein Handy an dich nimmst.“
„Alle haben unseren Streit mitbekommen. Außerdem kann ich so doch nicht runtergehen.“ Sie wies auf ihre verlaufene Schminke. „Und wenn die Nachricht nicht gelöscht wird, komme ich in Teufels Küche.“
„Meine Aufmachung ist ja wohl noch unpassender für eine solche Party“, bemerkte Carrie und sah an ihrer Sportkleidung hinunter. Sie war Lulus Fitnesstrainerin und passte nun wirklich nicht in den Freundeskreis ihres versnobten Gatten, der heute eine ausgelassene Feier veranstaltete. „Abgesehen davon muss ich Danny abholen. Ich bin ohnehin schon spät dran.“
„Es dauert nicht lang.“ Lulu sprang auf. „Los, zieh die Sachen aus und das Kleid hier an. Dann wird sich niemand wundern.“
Fünf Minuten später verließ Carrie das Schlafzimmer in einem Abendkleid ihrer Freundin. Ihr war mulmig zumute. Nach den vergangenen sechs Monaten, in denen sie sich in die Mutterrolle für Danny gefunden und versucht hatte, ihren Kummer zu verwinden, fühlte sie sich unbehaglich in diesem ausgefallenen Outfit, das bestenfalls für eine schicke VIP-Party taugte. Selbst bevor sich ihr Leben so grundlegend verändert hatte, war sie kaum jemals auf derart hochhackigen Stilettos einherstolziert, aber sie hatte nun wirklich keine Zeit, noch großartig Schuhe anzuprobieren.
Ihren Rucksack mit den Trainingsklamotten stellte sie in einer Nische neben der Eingangstür ab. Dann machte sie sich auf den Weg zu Darrens Büro. Lulu braucht das Handy bloß lang genug, um die Nachricht zu löschen, die sie in einem Anfall von Eifersucht auf seiner Mailbox hinterlassen hat, sagte sie sich.Im Handumdrehen ist meine Mission erfüllt.
Einer der Kellner reichte ihr ein Glas Champagner. Carrie nahm einen kräftigen Schluck, um sich Mut zu machen. Das kühle Getränk prickelte so stark auf ihrer Zunge, dass sie unwillkürlich die Nase krauszog.
Obschon es erst später Nachmittag war, befand sich die Party bereits in vollem Gange. Eine Fotografin machte ihre Runde, und sie fand immer neue Gäste, die sich gerne ablichten ließen, zweifellos in der Hoffnung, ihr Bild in irgendeiner Zeitschrift wiederzufinden.
Carrie strich ihr glitzerndes rotes Kleid glatt. Lulu war nicht gerade für sittsame Zurückhaltung in Sachen Garderobe bekannt, und da Carrie ein gutes Stück größer war als ihre Freundin, zeigte der kurze Rock entschieden zu viel Bein. Auch das Dekolleté war viel freizügiger, als Carrie es normalerweise getragen hätte.
Sie senkte befangen den Blick. Dabei fiel ihr das glänzende schwarze Haar wie ein Vorhang über die Wangen, doch sie warf es nicht zurück. So fühlte sie sich geschützter. Obwohl mir in diesem Aufzug vermutlich kaum jemand ins Gesicht schauen wird, dachte sie ironisch und durchquerte den Raum.
Lautlos schlüpfte sie in Darrens Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie ignorierte ihre flatternden Nerven und ging zielstrebig zum Schreibtisch. Dort stellte sie das Champagnerglas ab und griff nach Darrens Jackett, das über der Lehne seines Stuhls hing.
„Ist das so eine Gewohnheit von Ihnen?“
Erschrocken fuhr Carrie herum.
An der Tür stand ein