2. Elias’ integratives Konzept der Menschenwissenschaften
Der philosophische Blick
In seiner philosophischen DissertationIdee und Individuum. Eine kritische Untersuchung zum Begriff der Geschichte (1922/24) setzt sich Elias mit erkenntnistheoretischen Problemen auseinander, die sich aus dem geschichtlichen, d.h. dem prozessualen Wesen des Menschen und der menschlichen Gemeinschaft ergeben. Den Ausgangspunkt seiner Untersuchung bildet die Vorstellung, »daß der Geschichte ein eigentümliches Gebilde, welches man ›Idee‹ nennt, zugrundeliegt und daß in dieser Idee und ihrem Verhältnis zu dem einzelnen geschichtlichen Faktum, zu dem ›Individuum‹ im weitesten Sinne des Wortes eben das Problem zu suchen sei, von dessen Auflösung der Geschichtsforscher Klarheit über das Prinzip jener Auswahl, über das Recht seines eigenen Verfahrens, der Philosoph Einsicht in den Aufbau der Geschichte und einen Beleg für den Anspruch auf Wahrheit, welchen das Urteil über Geschichtliches notwendig macht, erwarten darf.«47 Unter dem Begriff der Idee versteht Elias somit einen Komplex von Strukturierungsprinzipien, die den Forschungsprozess von der Auswahl der Forschungsprobleme bis zur Interpretation der Ergebnisse leiten. Im Mittelpunkt seiner Dissertation steht die Frage nach der Geltung von geschichtswissenschaftlichen Aussagen, die Elias mithilfe philosophischer Instrumentarien zu beantworten versucht. Sein Erkenntnisinteresse ist es, Kriterien zur Unterscheidung einer dogmatisch-ideologischen von einer kritischen Geschichtswissenschaft zu gewinnen.
Bei der Lösung dieser Problemstellung bewegt Elias sich zunächst in den Bahnen der vorherrschenden Lehrmeinung (Historismus): »Das zeitbestimmmte, ich-bezogene Glied eines dialektischen Prozesses ist nichts anderes als der Gegenstand der Geschichtswissenschaft. In einem solchen […] Sinne ist der geschichtliche Prozeß einzigartig, nämlich Funktion seiner unver