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New York City, 1881
Miss Felicia Murdock zerfloss in Selbstmitleid.
Normalerweise neigte sie nicht dazu, sich selbst zu bedauern, aber angesichts der traurigen Umstände hatte sie das Gefühl, dass ihr wenigstens eine oder zwei Stunden Selbstmitleid zustanden.
Sie lehnte die Stirn an die kühle Fensterscheibe und beobachtete durch ihr Schlafzimmerfenster den Verkehr, der an dem Haus in der Fifth Avenue vorbeirollte, in dem sie mit ihren Eltern wohnte. Kutschen mit Dienern in Livree bahnten sich mühsam einen Weg zwischen den vielen Lieferwagen hindurch, während gut gekleidete Damen und Herren Arm in Arm den Gehweg entlangschlenderten und diesen schönen Frühlingstag zu genießen schienen. Beim Anblick so vieler fröhlicher Menschen rümpfte sie die Nase, und als eines der Paare auch noch mitten auf dem Gehweg stehen blieb und sich kurz umarmte, wandte Felicia sich abrupt vom Fenster ab, stapfte über den Orientteppich und blieb vor ihrem Bett stehen.
Normalerweise entlockte ihr der Anblick ihres gemütlichen Bettes mit dem blauen Seidenlaken und der kuscheligen elfenbeinfarbenen Quiltdecke ein Lächeln, aber an diesem folgenschweren Tag war ihr nicht nach Lächeln zumute.
Felicia hatte das Gefühl, dass ein wenig Theatralik vonnöten wäre, um weiter in Selbstmitleid baden zu können. Sie drehte sich um, breitete die Arme aus, ließ sich nach hinten fallen und wartete auf den Moment, in dem sie in einem weichen, luxuriösen Kokon aufgefangen und umhüllt würde und ihre so dringend benötigte nächste Runde Selbstmitleid einläuten könnte.
Doch als sie auf dem Bett aufkam, durchbohrte ein stechender Schmerz ihr Gesäß, und alle Gedanken an Selbstmitleid verflogen schlagartig. Sie fuhr hoch, schob den voluminösen Rock des grässlichen rosafarbenen Kleides, der sich um ihre Beine gewickelt hatte, nach unten, rappelte sich auf und erlaubte sich den Luxus, kräftig zu fauchen.
Theatralische Auftritte waren offensichtlich nicht ratsam, wenn man das erforderliche Modeaccessoire dieser Tage trug: die lästige Turnüre, die hinten unter dem Rock einer Dame befestigt war. Mit ungezügeltem Missmut streckte sie die Arme nach hinten und schob das unförmige Teil wieder an seinen Platz zurück.
Sie schleuderte die Schuhe von ihren Füßen und betrachtete erneut das Bett. Da sie auf ihren theatralischen Auftritt nicht verzichten wollte, trat sie ein paar Schritte zurück, schob ihren Rock ein Stück nach oben und nahm Anlauf. Sie sprang ab und landete mit einem dumpfen Aufprall auf der Bettdecke.
Doch es war gar nicht so einfach, Luft zu holen, da ihr eng geschnürtes Korsett gegen eine so anstrengende Tätigkeit protestierte, aber ihr fester Entschluss, in Selbstmitleid zu zerfließen, zwang sie, in kurzen Stößen einzuatmen, währen