: Gerhart Hauptmann
: Um Volk und Geist
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: 9783743173453
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: Hauptwerk vor 1945
: German
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Gerhart Johann Robert Hauptmann (geboren 15. November 1862 in Ober Salzbrunn (Szczawno-Zdrój) in Schlesien; gestorben 6. Juni 1946 in Agnetendorf (Agnieszków) in Schlesien) war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Deutsche Einheit


Ansprache zur Feier der fünfzigsten Wiederkehr des Tages der Reichsgründung, gehalten zu Hirschberg in Schlesien am 18.Januar 1921.

Wir begehen als eine schwer geprüfte, tief bedrückte Nation begreiflicherweise nicht das Andenken eines äußeren Sieges. Wir feiern einen viel größeren, freilich damit verbundenen inneren Sieg, der in der Einigung Deutschlands besteht. Und so schwer wir auch heut von einer äußeren Niederlage betroffen sind, man hat uns die Früchte des damaligen inneren Sieges nicht rauben können. Somit erstreckt sich die Erniedrigung, unter der wir seufzen, nicht auf diesen inneren Sieg, und wir haben ein volles Recht, diesen inneren, im höchsten Sinne friedlichen Sieg miteinander zu feiern. Oder was könnte dem Wesen des Friedens näher kommen, als wenn Getrenntes, Zerstreutes, untereinander Feindliches sich einigt, sich zur festen Einheit verbindet? Die Römer, welche Begriffen göttliche Ehren erwiesen, scheinen mir, wenn es sich um den Begriff der Einigkeit handelt, die zur Einheit wird, in hohem Grade nachahmenswert. Wir sollten dem Begriffe der Einheit, der deutschen Einheit, die höchsten nationalen Ehren erweisen. Wir sollten sie nicht alle fünfzig Jahr, sondern jährlich feiern.

Dieses jährliche Fest der Einigkeit hätte einen hohen inneren Beruf zu erfüllen. Und gerade in Deutschland wie in keinem anderen Lande der Welt. Insofern war das Deutschland vor 1870 zu dem heute zerschlagenen Österreich das Gegenstück: hier Völker aller Sprachen geeint, dort Völker einer Sprache kläglich zerspalten und getrennt. Wer das Schicksal Deutschlands, nicht etwa das augenblickliche, sondern seit Jahrhunderten, rückblickend mit bitterem Schmerz ermißt, der weiß, daß uns Deutschen aller Stämme nichts so not tut als die Beherzigung des Vermächtnisses des alten Attinghausen in Schillers »Wilhelm Tell«: Seid einig!

Ich werde Ihnen nichts von meinen deutschen Schmerzen erzählen. Wer von Einigkeit reden, Einigkeit empfehlen will, der muß sich hüten, Bitterkeiten mit einfließen zu lassen, die alte Seelenwunden erzeugen, welche der herrschende Zustand der Uneinigkeit jedem unter uns geschlagen hat: er muß sich hüten, Vorwürfe zu erheben, weil solche nur neue Bitterkeit in anderen und somit neue Uneinigkeit hervorrufenwürden. Wir haben am heutigen Tage jedoch keinen äußeren Feind und dürfen keinen inneren haben, einen einzigen ausgenommen: die Zwietracht. Die Zwietracht ist nicht nur unser stärkster innerer, sondern überhaupt unser stärkster Feind. Und er ist es vor allem, den es gilt, heute und immer zu bekämpfen.

Dies ist ein sehr einfacher Gedanke, der durcha