: Christoph Markschies
: Das antike Christentum Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen
: Verlag C.H.Beck
: 9783406709449
: Beck Paperback
: 3
: CHF 9.90
:
: Christliche Religionen
: German
: 347
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF/ePUB
In seinem vielgerühmten Standardwerk verortet der international renommierte Kirchenhistoriker Christoph Markschies das Christentum in der antiken Religionsgeschichte und kommt so zu neuen und überraschenden Antworten auf die Frage, warum sich das Christentum im römischen Reich so erfolgreich durchsetzen und schließlich die Antike überleben konnte. Der Autor bietet einen kompakten Überblick über die Verbreitung des Christentums und deren wichtigste Zentren und Epochen. Er schildert den Alltag und die Frömmigkeit antiker Christen von ihrer Geburt über Bekehrung und Taufe bis zum Tod, beschreibt Lebensformen wie Ehe und Familie, Askese und Mönchtum und erklärt die Besonderheiten der christlichen Gemeinschaften.

Christoph Markschies, geb. 1962, ist Professor für Ältere Kirchengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen, der Erfurter, der Mainzer und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie der Europäischen Akademie der Künste und Wissenschaften, der Academia Europaea und des Deutschen Archäologischen Instituts. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Hanns-Lilje-Preis der Göttinger Akademie (1994) und dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2001). Bei C.H.Beck erschienen «Die Gnosis» (3 2010) sowie «Gottes Körper. Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike» (2016).

DAS ANTIKE CHRISTENTUM – RAUM UND ZEIT


Der geographische Raum der antiken Christentumsgeschichte – seine Prägung und Erschließung


Der geographische Schauplatz der antiken Christentumsgeschichte war für lange Jahre fast ausschließlich mit dem römischen Kaiserreich, dann mit dessen Nachfolgestaaten identisch. Nur ganz partiell sind die Nachbarreiche – etwa Persien und vor allem Armenien – betroffen gewesen, und im Unterschied zum europäischen Mittelalter betrieb die christliche Kirche auch kaum Mission außerhalb der Reichsgrenze. Weltmission hieß hier, die Grenzen desImperium Romanum, des römischen Reiches, erreicht zu haben. Darin darf man kein christliches Spezifikum sehen – im Gegenteil: Die Christengemeinde zeigte sich in dieser Beschränkung als Glied einer antiken Welt, die neben demimperium meist nur noch ein Barbarenoder Ödland kannte.Imperium war«oikoumene», die ganze bewohnte Welt.Orbis terrarum, Erdkreis, wurde mitorbis Romanus identifiziert. Wo – wie zum Beispiel in Trier – in der Wandelhalle einer Ausbildungseinrichtung eine Weltkarte an die Wand gemalt war,[1] konnte der Betrachter diese Identifikation auch nachvollziehen. Wer in der Hauptstadt Rom vor dem Mausoleum des 14 n. Chr. verstorbenen Kaisers Augustus stand und dort (oder an irgendeiner der anderen Stellen im Reich, wo er angebracht war) den Tatenbericht las, den derimperator kurz vor seinem Tode abgefaßt hatte, wurde bereits in der Überschrift jenes Textes an diese Vorstellungen erinnert: «[Bericht] der Taten des göttlichen Augustus, durch die er den Erdkreis der Befehlsgewalt des römischen Volkes unterwarf». Dank entsprechender Bemühungen des Augustus, so signalisierte bereits der Titel dieses – nach der besten erhaltenen Kopie im türkischen Ankara auchmonumentum Ancyranum genannten – Textes, umfaßte dasimperium nun die ganze bewohnte Welt, die«oikoumene». Die christliche Kirche hat, solange das römische Kaiserreich bestand, nur äußerst selten mit dieser Ideologie gebrochen und ihre Botschaft außerhalb der Staatsgrenzen verkündigt.

Aber der geographische Raum der Geschichte der antiken Christenheit ist trotzdem nicht einfach mit dem des römischen Kaiserreiches identisch; sein ideelles Zentrum liegt anderswo, und das verschiebt in jeder Hinsicht die Gewichte. Kern und Metropole des paganen Reiches bildete bekanntlich das geographisch vergleichsweise zentral gelegene Rom – alsurbs die Stadt schlechthin, andere Städte hießenoppidum, um den kategorialen Abstand deutlich zu machen. Auf Rom war dasimperium in jeder Hinsicht zentriert, daneben bestanden nur noch wenige weitere Großstädte wie Alexandria oder Antiochia. Diese Städte waren wegen ihrer teils monströsen Zusammenballung ohne ihr Umland nicht lebensfähig. Neben der Hauptstadt waren viele andere Metropolen (wie beispielsweise Antiochien, Athen und Ephesus) auf Lebensmittelimporte angewiesen, die in den Händen von privaten, allerdings staatlich kontrollierten Geschäftsleuten lagen.

Das Christentum entstand aber gerade nicht dort, in Rom oder im Schmelztiegel der Kulturen, den die anderen größeren Städte bildeten. Es begann seinen Siegeszug durch die antike Welt vielmehr von einigen kleinen Dörfchen im nördlichen Palästina aus. Man kann noch heute den Wirkungsraum Jesu von Nazareth am Nordufer des Sees Genezareth an einem Nachmittag bequem ablaufen: Vier Kilometer Wegstrecke sind es von Kapernaum, seiner Heimat (Mt 9,1), nach Chorazin, wo er viele Wunder gewirkt hat, etwas über fünf Kilometer liegen zwischen Kapernaum und Bethsaida, wo Petrus herstammte.[2] Städte am See meidet Jesus, Wirkungsorte dieses einfachen Handwerkersohnes ohne theologische Ausbildung sind die galiläischen Dörfer. Und so nimmt es nicht wunder, wenn ein gebildeter Heide wie der römische Kaiser Julian die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu an ihre schlichten Ursprünge erinnert und durchgängig «Galiläer» nennt. Ein paar Heilungen in solchen Dörfchen – so der Herrscher polemisch – könne man kaum als große Taten bezeichnen.[3] Bedeutsamer noch als diese kleinen Örtlichkeiten, die für die reichsweite Christenheit schon bald weniger wichtig geworden sind und erst seit dem vierten Jahrhundert wieder in größerem Umfang von Pilgern besucht worden sind, wurdeJerusalem.

Diese aus der Perspektive eines gebildeten Römers fernab an der Peripherie des Reiches in einer relativ jungen und unruhigen Provinz gelegene jüdische Hauptstadt wurde zum Sitz der ersten größeren Gemeinde, die sich nach der Hinrichtung Jesu im Jahr 30 n. Chr. bildete. Das Neue Testament berichtet, wie die verstörten Anhänger durch Erscheinungen des Auferweckten erneut gesammelt wurden und ihn als Messias (Maschiach, griechisch«christos») bzw. Herr (griechisch«kyrios») bekannten (z.B. Lk 24,13–34). Schnell dominierten Verwandte Jesu diese Gruppe, und man erwartete getreu den biblischen Verheißungen seine baldige Wiederkunft auf dem Zionshügel mitten in Jerusalem (so auch Paulus, Röm 11,26f.). In den ersten Jahren der Geschichte des Christentums bildet Jerusalem nicht nur den ideellen

Cover1
Titel3
Zum Buch2
Über den Autor2
Impressum4
Inhalt5
Einleitung7
Danksagung12
Das Antike Christentum – Raum und Zeit13
Der geographische Raum der antiken Christentumsgeschichte – seine Prägung und Erschließung13
Die Zeit: Gliederung und Abriß der Epoche36
Das Individuum52
Die Bekehrung zum Christentum52
Geburt, Taufe und Tod67
Das christliche Leben und seine Frömmigkeit93
Der Umgang mit der Bibel96
Gebet und Gottesdienstfrömmigkeit107
Engel-, Heiligen- und Märtyrerverehrung die Wallfahrt
Sonstige Ausdrucksgestalten der Frömmigkeit125
Das Alltagsleben133
Lebensformen142
Ehe und Familie144
Askese und Mönchtum159
Die Gemeinschaft169
Das Gemeindeleben172
Übergemeindliche Strukturen und Kommunikationsformen188
Die kirchlichen Ämter198
Schluss: Warum hat das Christentum in der Antike Überlebt?215
Antike pagane Antworten220
Antike christliche Antworten226
Einige neuzeitliche Antworten231
Richard Rothe232
Adolf Hausrath234
Ernst Troeltsch und Hans von Schubert235
Adolf von Harnack237
Warum hat das Christentum in der Antike überlebt?240
Sieben Gründe für das Überleben des Christentums242
Christentumsgeschichte und neuere historiographische Paradigmen250
Christentumsgeschichte und Theologie257
Schlußbemerkungen262
Anhang265
Karte266
Zeittafel267
Glossar270
Abkürzungen272
Anmerkungen274
Quellen und Übersetzungen318
Auswahlbibliographie328
Abbildungsnachweis334
Personenregister336
Ortsregister340
Sachregister342