: Ute Scheub, Stefan Schwarzer
: Die Humusrevolution Wie wir den Boden heilen, das Klima retten und die Ernährungswende schaffen. Mit Praxistipps zu Humusaufbau und Permakultur
: oekom verlag
: 9783960061823
: 1
: CHF 17.90
:
: Natur und Gesellschaft: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dort der rasante Humusschwund, hier die rapide Zunahme von Kohlendioxid. Was nach zwei separaten Problemen aussieht, ist eng mit-einander verbunden: Wir haben zu wenig Kohlenstoff im Boden und zu viel in der Atmosphäre. Die Devise lautet also: »Back to the roots!« Ein globaler Humusaufbau von nur einem Prozent würde genügen, um den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf ein ungefährliches Maß zu senken. Was einfach klingt, ist es auch, denn die Methoden sind zum Teil schon seit Jahrhunderten bekannt. Unter Labels wie Permakultur oder Carbon Farming erleben sie gerade ihre Renaissance: Gärtnern mit Terra Preta, Ackern ohne Pflug, das Lenken mikrobieller Prozesse oder die Vitalisierung von Kulturen - all diese Methoden reichern den Boden mit Humus an und ermöglichen damit gesunde Lebensmittel. Global gesehen ist die »Humusrevolution« deshalb der wichtigste Hoffnungsträger für weltweite Ernährungssouveränität - sowie für den Kampf gegen Klimaextreme, Armut und Migration. Und das Gute daran: Jeder kann mithelfen und sofort anfangen.

Mit ihrem im oekom verlag erschienenen Buch über die Wundererde aus dem Regenwald, Terra Preta, sorgte Ute Scheub schon einmal für Furore. Im Verbund mit dem Geografen und Permakulturexperten Stefan Schwarzer vom Ökodorf Tempelhof legt die promovierte Politologin und Autorin zahlreicher Sachbücher ein weiteres Standardwerk vor, das den Bestseller »Terra Preta« ergänzt und weiterführt.

Kapitel 1
Die Geschichte von David und Goliath – neu erzählt


»Wir sind an den allermeisten Orten dieser Erde nur knapp 15 Zentimeter von der Ödnis entfernt.
Denn gerade einmal so viel misst die Schicht Humus, von der das gesamte Leben auf diesem Planeten abhängt.«
NEIL SAMPSON
Über lange Jahre unserer Geschichte – ungefähr 99 Prozent davon – lebten die Menschen als Sammlerinnen und Jäger. In dieser Reihenfolge. Unsere Ahnin »Lucy«, einAustralopithecus afarensis, durchquerte vor gut drei Millionen Jahren bereits im aufrechten Gang die Savannen des ostafrikanischen Rift Valley. Aus Knochen und Gebiss kann man schließen, dass sie sich von Samen, Nüssen, Früchten, Blättern und Wurzeln ernährte – und zum Sammeln zur Not auch noch auf Bäume kletterte. Das Jagen kam wohl erst zwei Millionen Jahre später durchHomo erectus in Mode. Sammeln und Jagen erforderte ein hohes Maß an Kooperation, was beiHomo sapiens, der sich vor ungefähr 200.000 Jahren entwickelte, ein Gehirn entstehen ließ, das soziale Umgangsformen mit dem Ausschütten von Glückshormonen belohnte. Das machte ihn menschlich – im besten Sinne.
Diese Menschen lebten in kleinen, nomadischen Gruppen zusammen – weitestgehend ohne Rangordnung. Kriege gab es kaum, warum auch, es gab kein Eigentum zu verteidigen. Der Anthropologe Robin Dunbar belegte mit Studien, dass eine Einzelperson zu ungefähr 150 Menschen egalitäre Beziehungen unterhalten kann, ein Mehr überfordert noch heute unser steinzeitgeformtes Gehirn und lässt als Konsequenz Hierarchien entstehen.
Auch heute leben Menschen in versteckten Winkeln der Welt immer noch als Sammlerinnen und Jäger – und zwar erstaunlich gut. Richard Lee hat beobachtet, dass ein afrikanischer Dobe-Buschmensch im Schnitt nur gut zwei Stunden täglich arbeitet. »Eine Frau sammelt an einem Tag genug Nahrung, um ihre Familie drei Tage zu ernähren«, schreibt der Anthropologe. Den Rest der Zeit verbringe sie im Dorf oder besuche andere Dörfer oder unterhalte Besucher aus anderen Dörfern. Ein Mann gehe auch mal eine Woche lang jagen, die nächsten zwei bis drei Wochen verbringe er dann aber mit Besuchen, Klatsch und Tratsch, Sex, Tanz und Gesang. Viele traditionell lebende Menschen gehören zu den gesündesten und besternährten der Welt. Ihr Speiseplan ist abwechslungsreich. Mangelernährung, Angst vor Hunger oder Krebs kennen die wenigsten. Landwirtschaft? Uninteressant! »Warum sollen wir pflanzen, wenn es so viele Mongo-Mongo-Nüsse in der Welt gibt?«, fragt ein Dobe-Buschmann.1

Wie Goliath so groß werden konnte


Doch nach der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren begannen Menschen in der neolithischen Revolution mit dem Ackerbau. Sie säten wilde Grassamen; daraus entstanden Urgetreide wie Emmer oder Einkorn. Sie domestizierten Ziegen, später auch Schafe, Schweine und Rinder. Diese Entwicklung verlief zwischen 10.000 und 4.500 Jahren vor unserer Zeitrechnung mehr oder weniger parallel in Nord- und Südamerika, China, Indien, Lateinamerika und dem Vorderen Orient. Das Einlagern der Ernte und ein vom Wasserpegel abhängiges Bewässern erforderten zunehmend Planung und Kontrolle. Also wuchsen an Euphrat, Tigris oder Nil erste hierarchische Stadtstaaten – mit Getreidelagern und Kanälen, verwaltet von ersten Beamten, die eine Schrift benutzten; überwacht von Polizei, Oberhäuptern, Priestern und Göttern. Patriarchat und Erbrecht, Eigentum und Geld entstanden und schnell auch Schuldenknechtschaft und Sklaverei.2
Die herrschende Fortschrittserzählung behauptet, Landwirtschaft sei für die Menschheit unentbehrlich gewesen, um mit dem Agrarüberschuss eine »denkende Schicht« zu ernähren, die Kunst und Kultur entwickelte. Mag sein. Aber Skelettuntersuchungen weisen darauf hin, dass es sesshaften Bauern damals schlechter ging als frei umherschweifenden Sammlerinnen. Bauern hatten brüchigere Knochen, öfter Arthritis, Karies, Eisenmangel, epidemische Krankheiten – Letztere vor allem durch das enge Zusammenleben mit Nutztieren. Ihre Körpergröße schrumpfte, sie leb