2. KAPITEL
Frances ertrug das Schweigen nicht länger. „Sie spielen offenbar darauf an, dass ich die Hormone erwähnt habe“, platzte sie heraus. „Helena hat mir lediglich erzählt, dass die Disketten die Testergebnisse eines neuen Hormonmedikaments enthalten. Mehr weiß ich nicht, das versichere ich Ihnen.“ Sie wandte den Kopf und blickte auf Jordan Parrys Hände, die immer noch auf ihren Schultern lagen. „Und nun lassen Sie mich los. Sonst werde ich nach dem Sicherheitsdienst des Hotels schreien.“
Jordan Parry gab sie frei. Entsetzt stellte Frances fest, dass sie am ganzen Leib zitterte. Wütend sah sie ihn an. Die Atmosphäre zwischen ihnen wurde eisig. Abrupt kehrte er ihr den Rücken zu und ging zur Bar.
Frances war nicht sicher, was sie jetzt machen sollte. Sich abwenden und gehen oder versuchen, ihm mit vernünftigen Argumenten beizukommen? Doch weshalb eigentlich? Schließlich hatte er seine kostbaren Disketten bekommen. Zögernd entschied sie sich für die erste der beiden Alternativen. Sie war noch keine zwei Schritte weit gekommen, als Jordan sie zurückrief.
„Sie gehen nirgendwo hin, ehe Sie mir nicht einige Erklärungen gegeben haben!“
Frances wirbelte herum, aber er hatte sich bereits wieder umgedreht. Im Schein des Kristallleuchters wirkte sein Haar blauschwarz. Er hatte breite Schultern und schmale Hüften. Männer in Anzügen verwirrten Frances. Sie hatte das Gefühl, dass diese formelle Kleidung ebenso wie ein Bart den wahren Mann dahinter verbarg. Sie fragte sich, was für ein Mensch Helenas Chef wohl sei. Oder hatte sie bereits den echten Jordan Parry kennen gelernt, diesen unhöflichen, arroganten Mann, der erwartete, dass alle nach seiner Pfeife tanzten?
„Ich bin wirklich Helenas Schwester“, sagte Frances ruhig. „Und sie hatte tatsächlich einen Unfall. Sie hat mir gesagt, dass Sie die Disketten unbedingt bis morgen Früh haben müssen und hat mich gebeten, sie Ihnen zu bringen. Offen gestanden wünschte ich, sie hätte es nicht getan. Ich war nämlich nicht darauf vorbereitet, als Lügnerin hingestellt zu werden.“ Sie stockte, weil ihre Stimme plötzlich schwankte. Ihr veränderter Ton war Jordan Parry nicht entgangen, und er drehte sich um.
Um ihre Verlegenheit zu überspielen, schluckte sie und fuhr fort: „Ich habe Ihnen einen großen Gefallen getan, dass ich hierhergekommen bin. Die Welt dreht sich nämlich nicht ausschließlich um die Parry-Pharma-Werke. Dafür, dass ich mir extra Urlaub genommen habe, hätte ich zumindest ein Dankeschön erwartet.“
Darauf wartete Frances vergeblich. Jordan bot ihr lediglich etwas zu trinken an und meinte: „Setzen Sie sich lieber, ehe Sie umfallen. Sie sehen etwas blass aus.“
Wundert Sie das etwa? hätte sie beinahe gefragt. Doch sie schwieg und ließ sich in einen Sessel fallen. Offenbar hatte ihm das Zittern in ihrer Stimme bewusst gemacht, dass man eine Dame nicht so behandelte. Bedrückt betrachtete Frances ihre verschmutzten Jeans und wünschte, sie hätte sich umgezogen, ehe sie in Jordan Parrys Suite ging. Denn sie sah keineswegs wie eine Dame aus, die man respektierte.
„Was möchten Sie trinken?“, wiederholte er.
Frances wandte sich um. „Entschuldigen Sie, ich war ganz in Gedanken. Ich … ich hätte gern eine Schorle.“
„Was ist denn das?“ Seine Miene war argwöhnisch, und sie sah, dass seine Mundwinkel wieder zuckten. War es Ärger oder Ungeduld? Frances war nicht sicher.
„Jedenfalls kein Molotow-Cocktail, falls Sie das denken“, fauchte sie. Gleich darauf bereute sie ihren scharfen Ton. Jordan Parry schaute sie verblüfft an, und Frances seufzte. „Es tut mir leid. Aber schließlich wird man nicht jeden Tag der Industriespionage v