: Peter Freudenberger
: Stiller und die Finsternis
: Emons Verlag
: 9783863586867
: 1
: CHF 6.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 220
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Journalist Paul Stiller ist verwirrt: Vor 22 Jahren ist seine Jugendliebe Rebecca spurlos verschwunden, nun meldet sie sich überraschend bei ihm. Zur gleichen Zeit ereignet sich ein bizarrer Mord beim Ritterspiel in einem Aschaffenburger Gesellschaftsclub. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen? Bei seinen Recherchen stößt Stiller auf eine Reihe dunkler Machenschaften - und auf ein furchtbares Schicksal. Ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Peter Freudenberger, Jahrgang 1960, ist fest in der Main-Spessart-Region verwurzelt. Er arbeitet für Zeitungen in Würzburg, Miltenberg und seiner Heimatstadt Aschaffenburg. Sein Credo: Ein Journalist darf die Menschen seines Verbreitungsgebietes durchaus etwas lieben. Der humor- und liebevolle Blick auf die Region spiegelt sich (bei aller Spannung) in den Figuren seines ersten Kriminalromans. Im Emons Verlag erschien 'Stiller und die Tote im Bus', der aus dem Stand erfolgreich war.

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»Beim Uhu: Wo steckt das Schwert?« Der Princeps zog die Augenbrauen zusammen und warf dem Ritter zu seiner Rechten einen fragenden Blick zu. Der hob, sichtlich nervös, die Schultern. »Das Bundesschwert! Wo steckt es?«, raunte der Princeps erneut, als er sich wieder den singenden Rittern im Saal zuwandte.

Der Rittersaal lag glanzerfüllt vor ihm, in das lodernde Licht der Leuchter getaucht, die zu beiden Seiten des geschnitzten Throns standen. Die Wappenschilde der Ritter schmückten die Wände und warfen das Flackern der Fackeln matt zurück. Vielleicht fünfzig Augenpaare sahen zu ihm auf, im einen oder anderen glaubte er Tränen der Rührung zu erkennen, während aus den rauen Kehlen der Männer feierlicher Gesang erscholl. Sie standen und sangen, die Schwerter gezückt und gegen die Schulter gelehnt, die Spitzen stolz zur Decke des Saals gereckt.

Vor den Stufen des Throns knieten, das Haupt gesenkt, die beiden Knappen, die er zu Rittern schlagen wollte, sobald das Lied verklungen war. Der Knappenmeister zur Linken des Throns hielt bereits die Helme und Rüstungen bereit, die er den beiden Neuen unter dem Jubel der Recken überreichen würde. Zur Rechten wartete der Mundschenk mit dem Kelch voll Wein, um sie zu laben.

Die Jungknappen hatten sich im Hintergrund des Saales vor dem Kamin versammelt. Auch ihnen standen Tränen in den Augen, galt es doch, Abschied zu nehmen von den Freunden, mit denen sie so lange die Tafel geteilt hatten. Mit denen sie oft ausgeritten waren, manche Nacht durchzecht hatten in fremden, fernen Burgen. Trotz der Trauer reckten sie wacker die Hellebarden, getröstet durch die Aussicht, bald selbst zu Rittern geschlagen zu werden.

Mit dem Bundesschwert, beim Uhu! Ohne diese Insignie war kein Ritterschlag denkbar. Längst hätte der Zeugmeister mit der edlen Waffe vor dem Thron erscheinen müssen. Der Princeps hatte ihn wenige Minuten zuvor den Rittersaal verlassen und in die Vorburg eilen sehen, um das Schwert zu holen, das dort in der reich verzierten Scheide an der Wand prangte.

Das Bundesschwert war der Stolz der Ritter, die sich in diesem Saal zur höchsten Zeremonie, zum Ritterschlag, versammelt hatten. Der Anderthalbhänder war geschmiedet aus Solinger Stahl und besser ausbalanciert als jedes andere Schwert der Ritterschaft, denn die Klinge endete nicht mit dem Anker im Knauf. Ein geschmiedeter Uhu, das Wappentier der Gemeinschaft, verlängerte das Heft und bildete ein Gegengewicht zur schweren Klinge. Sie maß stattliche einhundertzehn Zentimeter, und keine Blutrinne erleichterte ihr Gewicht. Stattdessen war sie auf beiden Seiten des Stahls graviert. Auf der einen stand der Wahlspruch der Gemeinschaft: »In Arte Voluptas – In der Kunst liegt das Vergnügen«. Auf der anderen waren die drei Tugenden des Bundes aufgeführt: »Kunst + Freundschaft + Humor«.

Das Bundesschwert diente ausschließlich der Zeremonie. Der Princeps benutzte es, um eine Burg zu weihen. Er hielt es am Ende der abendlichen Treffen über die Häupter der Recken, während sie ihren Schwur erneuerten: »Bis zum letzten Atemzug …« Er senkte es ehrfürchtig vor dem Schrein mit den Namen derer, die ihren letzten, einsamen Ritt angetreten hatten. Oder er schlug damit Knappen zu Rittern, indem er das Schwert sanft auf ihre Schultern legte