Sich selbst kennen
Gerade in Betreuungssituationen oder auch beim Überbringen von Todesnachrichten wurde mir immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, sich selbst zu kennen. Beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage, wie wir selbst mit den Themen Tod und Sterben umgehen. Haben wir selbst mit diesen Themen ein großes Problem oder wissen wir, dass wir in einer Weise reagieren, dass uns solche Vorfälle nicht mehr aus dem Kopf gehen, dann wird es uns natürlich auch schwerer fallen, solche Aufgaben zu übernehmen. Wichtig ist also das Wissen über die eigene Einstellung zu einem derartigen Thema.
Ebenfalls wichtig ist das Wissen, wie wir es selbst schaffen können, aus einer solchen Interaktion wieder herauszukommen, wie wir also eine professionelle Distanz wahren. Denn es ist etwas anderes, ob man eine solche Aufgabe beruflich ausführt oder einem Freund eine Todesnachricht überbringt. Natürlich kann und soll man auch im beruflichen Fall Empathie zeigen, Menschen eventuell auch einmal in den Arm nehmen – aber es ist trotzdem etwas anderes, als wenn man einem Menschen wirklich persönlich nahesteht. Für meine Berufsgruppe ist es auch wichtig, die besagte professionelle Distanz zu wahren, um sich nicht verantwortlich beispielsweise für das Leid einer ganzen Familie zu fühlen. Tatsächlich ist genau das jedoch sehr schnell der Fall: Wir fühlen uns verantwortlich und meinen, die Probleme anderer lösen zu müssen. Wir denken, wir müssen beispielsweise den Schmerz von einer Familie nehmen. Doch das ist oft – zumal in einer solchen Betreuungssituation – nicht möglich, dafür sind auch andere Professionen da.
Genau deswegen ist es so enorm wichtig, sich selbst zu kennen. Wenn wir etwa bemerken, dass wir mit manchen Situationen wirkliche Probleme haben, dann ist es wichtig, dass wir zunächst einmal an uns arbeiten, bevor wir uns solchen Situationen aussetzen. Diese Arbeit an uns selbst besteht dann vor allem darin, dieses eigene Problem zu erkennen. Denn es nützt uns wenig, dass vielleicht andere uns sagen, wir seien viel zu nahe dran an dem Problem – oder einem Fall oder den darin involvierten Personen.
Ich erinnere mich an Fälle, in denen es um eine zeitlich lange Unterstützung von Familien ging. Da gab es immer wieder Kollegen, die es nicht schafften, diese notwendige Distanz aufrechtzuerhalten. Selbst wenn es sich nicht um einen Rund-um-die-Uhr-Kontakt handelte, fühlten sich diese Kollegen rund um die Uhr verantwortlich für die Person, die sie beispielsweise im Rahmen eines Entführungsfalls zu betreuen hatten. Sie waren 24 Stunden am Tag ansprechbar, und sie fühlten sich selbst schon fast als guter Freund der Angehörigen oder sogar als ein Familienmitglied.
Solche Kollegen sollte man eigentlich aus dem Einsatz herausnehmen, denn gibt man diesen Kollegen ein polizeitaktisches Ziel mit – etwa dass sie auf Unwahrheiten achten sollen –, dann kommt es womöglich zu dem Moment, dass sich der Kollege wegen der persönlichen Nähe überhaupt nicht mehr vorstellen kann, dass eine der betreuten Personen lügt. Denkt ein Kollege so, dann kann er im Grunde die Ziele nicht mehr umsetzen, die er eigentlich umzusetzen hat. Und ohne eine gute Selbstreflexion fehlt ihm womöglich auch die Einsicht, nicht mehr für den laufenden Einsatz geeignet zu sein. Das mächtige Gefühl der Verantwortungsübernahme trübt ihm den objektiven und ehrlichen Bick auf die eigene Situation und Leistung.
Was einmal mehr zurück zur Notwendigkeit der Selbstreflexion führt, die nicht nur für Polizeibeamte, sondern für alle Menschen so wichtig ist. Denn nur, wenn wir ein Problem erkennen, können wir eben auch dagegen angehen. Ein erster Schritt besteht darin, dass wir über das besagte Problemthema mit anderen Menschen sprechen. Hierbei muss es nicht um ein Thema gehen wie den Tod oder das Sterben. Bei der Polizeiarbeit kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein Kollege immer dann Probleme bekommt, wenn es um Fälle mit Kindern geht. Weil er vielleicht selbst Kin