: François-René de Chateaubriand
: Atala& René Die Geschichte einer unmöglichen Liebe - Klassiker der französischen Romantik
: e-artnow
: 9788026872184
: 2
: CHF 1.80
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: Anthologien
: German
: 108
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Atala& René' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Atala, die tragische Geschichte einer jungen Halbindianerin, die den Konflikt zwischen ihrer Liebe und der Keuschheit, die sie ihrer frommen französischen Mutter gelobt hat, durch den Freitod löst, wurde vor allem durch die eingestreuten stimmungsvollen Naturschilderungen vorbildhaft. René kreierte in der Figur des Titelhelden den Typ des vom 'mal du siècle', dem 'Weltschmerz', zerrissenen romantischen Künstlers und Intellektuellen - ein Typ, der dann jahrzehntelang die europäische Literatur bevölkerte. François-René de Chateaubriand (1768-1848) war ein französischer Schriftsteller, Politiker und Diplomat. Er gilt als einer der Begründer der literarischen Romantik in Frankreich.

Die Geschichte Schaktas und Atalas


I. Die Jäger

Es ist ein eigenthümliches Schicksal, mein lieber Sohn! das uns da zusammengeführt hat. Ich sehe in dir den civilisirten Menschen, der sich selbst zum Wilden gemacht hat; du siehst in mir den Wilden, welchen der große Geist, ich weiß nicht, in welcher Absicht, zu civilisiren bedacht war.

Wir haben von zwei ganz entgegengesetzten Seiten die Bahn des Lebens betreten; du hast dich an meine Stelle gesetzt, ich mich an die deinige; daher müssen wir auch eine durchaus verschiedene Ansicht von den Dingen haben. Wer von uns Beiden hat bei diesem Tausch nun wohl am meisten gewonnen, und wer hat verloren dabei? Das wissen die Genien, deren Letzter schon weiser ist, als die Weisesten unter den Sterblichen zusammengenommen.

Im nächsten Blumenmonate werden es siebenmal zehn und drei Schneezeiten sein, daß meine Mutter mich an den Ufern des Meschacebe gebar. Die Spanier hatten sich seit Kurzem in der Bai von Pensacola niedergelassen, aber kein Weißer bewohnte noch Louisiana. Ich zählte kaum siebenzehn Herbste, als ich mit meinem Vater, dem Krieger Outalissi, gegen die Musoculgen, ein mächtiges Volk der Floriden, auszog. Wir vereinigten uns mit den Spaniern, unsern Bundesgenossen, und der Kampf fand statt an einem Seitenarm der Maubila. Areskouie  und die Manitous waren uns nicht günstig. Die Feinde gingen als Sieger aus der Schlacht hervor, mein Vater verlor das Leben, und ich selbst erhielt zwei schwere Wunden, indem ich im Kampfe für ihn stritt. O warum stieg ich damals nicht in das Land der Geister, in die Nacht der Unterwelt hinab! Dann wäre ich all den Unglücksfällen entgangen, die meiner noch auf der Erde warteten. Die Geister wollten es anders; ich ward von den Flüchtigen bis nach St. Augustin mit fortgerissen.

In dieser von den Spaniern unlängst erst erbauten Stadt kam ich in Gefahr, nach den Bergwerken von Mexiko geschleppt zu werden; ein alter Castilianer jedoch, von meiner Jugend und Einfalt gerührt, bot mir eine Freistatt an, und gab mich zu einer Schwester, mit welcher er lebte, in Kost und Pflege, denn er selbst war weib- und kinderlos.

Die zwei guten Menschen faßten eine wahrhaft zärtliche Neigung für mich; sie erzogen mich mit vieler Sorgfalt und gaben mir Lehrmeister jeder Art und jedes Fachs. Allein kaum hatt' ich dreißig Monden in St. Augustin verlebt, als mich ein Ueberdruß am Stadtleben ergriff; ich welkte sichtbar dahin: bald stand ich stundenlang regungslos da und heftete meine Blicke auf die Wipfel der fernen Waldungen; bald saß ich am Strand eines Stromes, den ich mit trauernder Seele seine Wogen dahinwälzen sah. Ich dachte und sehnte mich in die Wälder zurück, durch welche er gezogen war, und all meine Gedanken flogen der Wildniß des Urwalds zu.

Da ich der Sehnsucht, in meine Einsamkeit zurückzukehren, nicht länger mehr zu widerstehn vermochte, trat ich eines Morgens, im Anzuge eines Wilden, vor Lopez hin, in einer Hand Bogen und Pfeile, in meiner andern die europäischen Kleider. Ich gab sie meinem edeln Beschützer zurück, indem ich unter einem Strom von Thränen zu seinen Füßen sank. Ich gab mir die häßlichsten Namen, ich klagte mich selb