Kapitel 2
Dienstag, 16. Januar 2018
Wien
»Sehr geehrte Passagiere, der Flug 5361 nach Cambridge, Massachusetts, wird aufgrund der schlechten Wetterlage auf den morgigen Tag verschoben. Wir bedauern …«
Merfyn hörte nicht weiter zu. Der Flug war wegen des Schneesturms verschoben, und er konnte das Wetter nun einmal nicht beeinflussen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als zu warten.
Seufzend wandte er sich von der großen Glasfront ab und schlenderte an den Geschäften vorbei. Es brachte nichts, am Flughafen auszuharren. Am besten fuhr er zurück in die Stadt und suchte sich ein Zimmer.
Merfyn stieg im Simm’s Hotel ab. Zum Flughafen hin war es das nächste und zudem auch das günstigste.
Auf dem Bett liegend tippte er gelangweilt auf seinem Smartphone herum, bis es läutete.
Bevor er abhob, schluckte er den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, hinunter und fuhr sich über den kahl rasierten Kopf. Das war kein gutes Zeichen. Dantalion hatte zwar kein Telefon, konnte seine Gedanken aber durch das Telefonnetz schicken.
»Wo bist du?«, zischte es aus dem Lautsprecher.
Merfyn lief es kalt den Rücken hinunter. Er kannte Dantalions Launen zu gut. Wenn er wütend war, war es am besten, nicht in der Nähe zu sein.
»Wien. Der Flug wurde gestrichen. Ich hoffe, dass ich morgen …«
»Morgen kann es bereits zu spät sein! Azrael hat gewiss längst seine Leute beauftragt. Ich brauche diese Frau. Beschaff sie mir, Merfyn, oder ich suche mir jemand, der fähiger ist.«
»Als ob es so jemand gäbe«, murmelte er.
»Hast du was zu sagen?«
»Nein, Großfürst. Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
»Das will ich hoffen.«
Bevor der Dämonenbote dazu kam, ein weiteres Wort zu sagen, knackte es in der Leitung. Anscheinend hatte Dantaliongenug gehört.
Obwohl er sich vorgenommen hatte, im Hotel zu bleiben, zog es Merfyn nun doch hinaus. Er warf den langen Mantel um sich und verbarg den Großteil seines Gesichts und damit die rötliche Haut und die gelbgrünen Augen unter einem Hut.
Da ihm keineswegs der Sinn nach einer größeren Ansammlung von Menschen stand, wählte er den Prater als Ziel.
Als er vor dem Riesenrad zum Stehen kam, stieß er seufzend den Atem aus. Ein beeindruckender Anblick! Er konnte ihn aber nicht genießen. Zu viel ging ihm durch den Kopf.
Während der Schnee auf ihn herabfiel, dachte er über sein Leben nach. Er konnte gar nicht sagen, wie lange er schon ein Dämonenbote war. Man hörte nach etwa hundert Jahren unweigerlich auf, diese zu zählen. Aber eines konnte er mit Gewissheit sagen: Noch nie war ihm ein Fehler unterlaufen. Und kein einziges Mal hatte er sich dazu durchringen müssen, seiner Aufgabe nachzugehen. In dem speziellen Fall war jedoch etwas anders.
Merfyn lag nichts daran, Dantalion auf die Welt loszulassen. Sollten sich Azraels Engel die Todgeweihte doch holen. Insgeheim hoffte Merfyn sogar, dass einer der Engel des Todes die Frau finden würde, bevor er sie erreichte.
Natürlich dachten Dämonenboten so für gewöhnlich nicht. Dantalion war aber von dem Gedanken besessen, Krieg gegen die Engel zu führen. Und das in der Welt der Menschen, da die Dämonenfürsten seit ihrer Verbannung in die Unterwelt auf diese dank Salomon schlecht zu sprechen waren. Der ausgefuchste König hatte sie überlistet. Reichtum und gleichberechtigte Herrschaft hatte er ihnen versprochen. Stattdessen wurden sie in ein Gefäß ges