: Naja Marie Aidt
: Schere, Stein, Papier Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641180362
: 1
: CHF 16.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit 'beklemmender Eindringlichkeit' (Süddeutsche Zeitung) erzählt die preisgekrönte dänische Autorin Naja Marie Aidt, wie die Vergangenheit einen Menschen unerwartet einholt und eine einzige falsche Entscheidung eine sorgfältig aufgebaute Existenz zum Einsturz bringt. Ein faszinierender Roman über die Bruchstellen des Lebens, das Gewicht der Vergangenheit und die Verletzlichkeit der menschlichen Existenz. Von einer der aufregendsten literarischen Stimmen unserer Zeit.

Die dänische Schriftstellerin und Dichterin Naja Marie Aidt, Jahrgang 1963, zählt zu den wichtigsten Stimmen Skandinaviens, ausgezeichnet u.a. mit dem renommierten Nordischen Literaturpreis und dem Großen Preis der Dänischen Akademie. Aidt wurde auf Grönland geboren und lebt heute in Brooklyn. Sie ist Mutter von vier Söhnen. »Carls Buch« gilt als eines der 10 besten Memoirs des letzten Jahrzehnts (Lithub). Bei Luchterhand ist zuletzt von Naja Marie Aidt der Roman »Schere, Stein, Papier« erschienen.

Es ist, als wäre er ein Zombie. Als Kinder haben Jenny und er Zombiefilme im Fernsehen gesehen, starr vor Schreck, Jenny oft weinend und hysterisch, aber nicht einmal das brachte sie dazu auszuschalten, nicht einmal das Weinen, das Schreien, sie konnten nicht, sie mussten die Filme bis zum Schluss sehen, ihre Augen klebten am Bildschirm. Seitdem hat er einen regelmäßig wiederkehrenden Albtraum, er wird von einer Schar grauer Zombies verfolgt, ist vor ihnen auf der Flucht, er weiß, dass siedasind und ihm weiter auf den Fersen bleiben, ganz gleich, wie viele Türen er im Traum verschließt, wie sehr er sich verbarrikadiert – sie finden ihn trotzdem, diese beinahe gesichtslosen lebenden Toten mit ihren Zeitlupenbewegungen und ihrem unstillbaren Blutdurst, diese hässliche Phantasie von Unsterblichkeit, aber jetzt ist er der Zombie, ein lebender Toter, so fühlt es sich an, wenn er nicht aufwachen kann, wenn er nicht sprechen, essen, lesen kann. Der April geht dahin. Thomas ist wie in eine riesige Daunendecke eingehüllt. Er ist stumpf und träge, sein Körper vor Erschöpfung ganz steif, sein Schlafbedürfnis nicht mehr normal. Das findet jedenfalls Patricia. Am Tag nach dem Begräbnis schlief er bis spät in den Tag hinein, und dabei ist es geblieben, jetzt ist er derjenige, der im Laden unter dem Schreibtisch Mittagsschlaf hält, während Maloney Annie und Peter herumkommandiert. Er ist derjenige, der mit schwerem Kopf in der Bahn nach Hause einnickt; er, der sich frierend aufs Sofa verkriecht und während der Nachrichten einschläft, bloß um dann ins Bett zu wanken und, sobald sein Kopf auf dem Kissen landet, in tiefe Bewusstlosigkeit zu sinken, schwarz und traumlos. »Bist du krank?«, fragt Patricia besorgt. »Bist du depressiv?« »Hat es etwas mit mir zu tun?« Aber Thomas schüttelt nur müde den Kopf. Es ist, als halte er Winterschlaf.Ich bin ein Bär. Ich bin ein Käfer. Tage und Nächte verschwimmen zu einem farblosen Morast, er geht roboterhaft durch den Laden und bewegt Dinge von einem Ort zum anderen, er hört Maloneys Stimme, er hört Gespräche über Peters Pilz (der jetzt anscheinend langsam austrocknet, nach einer Behandlung mit pilzabtötender Salbe), er grüßt Kunden und Lieferanten, Fahrradkuriere und motorisierte Kuriere, den Postboten und Eva, die mit krummem Rücken den Staubsauger über die blanken Holzdielen zieht (sie hat sich bereit erklärt, den Großputz zu übernehmen, wenn sie dafür auch ihre Nichte anstellen, es war eine wahre Kraftanstrengung für ihn, das zu organisieren). Er bestellt Waren und sitzt schweigend bei den Terminen mit dem Steuerberater am Tisch, während Maloney das Wort führt, er erklärt sich mit fast allem einverstanden, vergisst das meiste gleich wieder, sein Hirn kann nichtsfesthalten, er schafft es nicht e