Ouvertüre
Ramón Espejo erwachte und schwebte in einem Meer aus Dunkelheit. Einen Augenblick lang trieb er friedlich dahin, entspannt und unbekümmert, dann kehrte seine Identität behäbig und wie ein unerwünschtes Anhängsel zurück.
Nach dem tiefen, warmen Nichts war es kein Vergnügen, sich zu erinnern, wer er war. Obwohl er nicht richtig wach war, spürte er, wie sein eigenes Gewicht auf sein Herz drückte. Verzweiflung und Wut und die ständig nagenden Sorgen dröhnten in seinem Kopf. Für eine selige Weile war er niemand gewesen, und jetzt war er wieder er selbst. Mit seinem ersten bewussten Gedanken leugnete er die Enttäuschung, die er darüber verspürte zu leben.
Er war Ramón Espejo. Er arbeitete als Prospektor außerhalb von Nuevo Janeiro. Er war … er war … Ramón Espejo.
Da er nun erwartete, dass sich die Einzelheiten seines Lebens wieder einstellten – was er gestern Abend gemacht hatte, was er heute vorhatte, auf wen er wütend war, was ihn kürzlich geärgert hatte –, blieb der nächste Gedanke einfach aus. Er wusste, dass er Ramón Espejo war, aber nicht, wo er war. Oder wie er hierhergekommen war.
Beunruhigt wollte er die Augen öffnen und bemerkte, dass sie längst offen standen. Wo auch immer er sich befand, an diesem Ort gab es überhaupt kein Licht, es war dunkler als die Nacht im Dschungel, dunkler als die tiefen Höhlen in den Sandsteinklippen bei Schwanenhals.
Vielleicht war er auch blind.
Der Gedanke löste einen Anflug von Panik aus. Da gab es diese Geschichten über Männer, die sich mit billigem, synthetischen Moscatel oder Sweet Mary abgefüllt hatten und blind aufgewacht waren. War das passiert? Hatte er die Kontrolle verloren? Ein winziges Rinnsal Angst zog kalt über seinen Rücken. Aber er hatte keine Kopfschmerzen und auch kein Brennen im Bauch. Er schloss die Augen, blinzelte mehrmals kräftig und hoffte gegen alle Vernunft, seine Sehkraft wieder zum Leben zu erwecken. Das hatte lediglich zur Folge, dass helle, pastellfarbene Kügelchen auf seinen Retinae explodierten, dahinhuschende Farben, die irgendwie noch beunruhigender waren als die Dunkelheit.
Die Lethargie fiel von ihm ab, und er wollte schreien. Sein Mund bewegte sich langsam, aber er hörte nichts. War er etwa auch taub? Er versuchte, sich herumzuwälzen und aufzusetzen, konnte es jedoch nicht. Also ließ er sich ins Nichts zurückfallen, schwebte wieder, kämpfte nicht mehr dagegen an. Nur seine Gedanken rasten. Jetzt war er hellwach, doch noch immer erinnerte er sich nicht, wo er war oder wie er hierhergekommen war. Vielleicht war er in Gefahr: Seine Starre war gleichermaßen vielsagend und unheilschwanger. War er in einer Mine verschüttet worden? Hatte ihn ein Bergrutsch erwischt? Er konzentrierte sich auf seinen Körper und richtete seine Sinne auf sein Inneres, um schließlich zu entscheiden, dass er kein Gewicht und keinen Druck spürte, keinerlei Einschränkungen.Du würdest auch nichts spüren, wenn dein Rückenmark durchtrennt wäre, schoss es ihm voll kaltem Schrecken durch den Kopf. Aber nachdem er kurz nachgedacht hatte, war er von seinem Irrtum überzeugt: Erkonnte sich ein wenig bewegen, nur wenn er sich aufsetzen wollte, hielt ihn etwas fest und zog ihn an Armen und Schultern nach unten. Es war, als würde er sich in Sirup bewegen, nur arbeitete der Sirup gegen ihn, hielt ihn sanft