: António Lobo Antunes
: Ich gehe wie ein Haus in Flammen Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641180911
: 1
: CHF 16.40
:
: Erzählende Literatur
: German
: 448
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Roman des Weltliteraten aus Portugal ist ein Glanzstück der polyphonen Stimmenführung. Alle Mieter eines ganz normalen Wohnhauses in Lissabon kommen hier zu Wort, erzählen aus ihrem Leben, von ihrer Vergangenheit, ihren Sehnsüchten und Ängsten. Sie kommen aus Portugal, Afrika oder der Ukraine, sie sind jung oder alt, einsam oder krank oder wütend, und sie wissen wenig voneinander. Was sie eint, ist die verzweifelte Suche nach Sinn, nach Wärme, nach Liebe.

António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkriegs 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.

ZWEITER RECHTS

Ich mag die Wohnung nicht, weil ich mich dort nicht als kleinen Jungen wiederfinde, der auf dem verglasten Balkon spielt, seit unserer Hochzeit wohnen wir darin zur Miete, und das Ergebnis, diese Kinder, dein Asthma, vor allem ich, so unbeholfen, so schwach, als ich ledig war, schützte mich meine Mutter, nicht vor meinem Vater, denn der nahm mich überhaupt nicht wahr, sondern vor meinen Schwestern und vor meinem Bruder, sie prahlte mit mir vor ihren Gästen

– Nimm die Brille ab damit Dona Adelaide diese blauen Augen sehen kann

die Welt ein verschwommener Nebel, Dona Adelaide überrascht

– Wer hätte gedacht dass sie so schön sind?

und dann sofort mitleidig

– Schade die vielen Dioptrien

ich mag weder die Wohnung noch die Möbel, das Wasser in der Blumenvase welker als die Blumen, im Fenster Schreie pfeilschneller Augenbrauen, die sie Schwalben nennen, meine Mutter unvermittelt jung

– Frühling Kleiner

als könnte man den Frühling sehen, womöglich gab es Keramikgeklimper in den Blättern oder mehr Mädchen im Freien, aber ich war für sie nicht vorhanden, die Augenbrauen des Lehrers hoben sich vom Heft zu meinem Gesicht, entschwanden, mich verachtend, über die Dächer

– In jedem Satz drei Patzer

ich mag das Schlafzimmer nicht, aus dem ich den Sessel nicht herausgenommen habe, in den man dich mit der Sauerstoffmaske setzte, ein Pantoffel am Fuß, der zweite verlorengegangen, deine Augenlider atmeten über der Maske, nicht die Lunge, deine Augenlider zwei Kröten mit faltigen Bäuchen, die sauer auf mich waren

– Du hast nie was getaugt

unter dem Haar, das noch viel welker war als die Blumen, ein paar graue Stängelchen, feuchte Blütenblätter, der Fuß mit dem Pantoffel deiner, der Fuß ohne Pantoffel der einer Fremden, monatelang hast du mir die Briefe zurückgeschickt, in denen jeder Satz drei Patzer enthielt

– So was von hartnäckig mir zu schreiben

der Fuß ohne Pantoffel unbekannt, rot, schwoll im gleichen Rhythmus wie die Augenlider an und ab, was schwoll hier nicht alles an und ab, die Wände, das Bett, die dreißig Jahre, die wir zusammen verbracht haben, ich schreibe Ihnen, weil ich Sie schätze, und zu mehr als zu dieser idiotischen Prosa war ich nicht imstande, ich wollte Sie nicht beleidigen, ich mag das Schlafzimmer ebenso wenig wie das Zimmer meiner Söhne, sie sind gegangen, und die Umrisse der Schränke sind auf dem Putz zurückgeblieben, sie fehlen mir und fehlen mir nicht, sie fehlen mir nicht, ihr Fenster geht nach hinten hinaus, früher ein offenes Feld mit Schafen, die den Klang ihrer Schellen kauten, jetzt ein