: Max Frisch
: Blaubart Eine Erzählung
: Suhrkamp
: 9783518750568
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 172
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

»Freispruch mangels Beweis. Wie lebt einer damit? Ich bin vierundfünfzig«, heißt es zu Beginn der Erzählung. Dr. med. Felix Schaad stand in Verdacht, mit seiner Krawatte seine ehemalige Frau Rosalinde Zogg erdrosselt zu haben. Für den Staatsanwalt steht das Motiv fest: Eifersucht. Der Staatsanwalt will Schaad für zehn Jahre ins Zuchthaus schicken, doch das Gericht erkennt auf Freispruch. »Was meinen Blaubart betrifft: Schaad weiß nicht, was er unter Schuld versteht, und er ist nicht der einzige, der das heute nicht weiß, glaube ich. Schaad hat ein latentes Schuldgefühl. Vor Gericht wird ihm ein Delikt unterstellt, das er nicht begangen hat. Er weiß, daß er nicht der Täter gewesen ist, aber er kann nicht sagen: Ich bin unschuldig. ... Für mich geht es in diesem etwas schauerlichen Buch zentral um die Frage von Schuld - Unschuld in einem Fall, wo die Schuld nicht belegbar ist durch die Tat. ... Ich habe den Kriminalfall so durchschnittlich wie möglich gewählt, damit er nicht das Interesse abzieht, denn nicht dieser Kriminalfall hat mich interessiert, sondern die Technik der Wahrheitsfindung, das Gericht als Beispiel...« (Aus einem Gespräch zwischen Max Frisch und Günter Kunert)



Max Frisch, geboren am 15. Mai 1911 in Zürich, arbeitete zunächst als Journalist, später als Architekt, bis ihm mit seinem Roman<em>Stiller</em gt; (1954) der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Es folgten die Romane<em>Homo faber</em> (1957) und<em>Mein Name sei Gantenbein</em> (1964) sowie Erzählungen, Tagebücher, Theaterstücke, Hörspiele und Essays. Frisch starb am 4. April 1991 in Zürich.

Kennen Sie diese Krawatte, Herr Schaad?

Sie wurde mir schon einmal gezeigt.

Das ist die Krawatte, die bei der Erdrosselung verwendet worden ist, wie Sie wissen, vermutlich war das Opfer schon erstickt, aber der Täter glaubte offenbar nicht, daß die Frauenbinde im Mund genügte, und so verwendete er auch noch diese Krawatte.

Ich bin nicht der Täter.

Sie haben meine Frage verstanden?

Ja.

Ist das Ihre Krawatte oder nicht?

Mag sein …

Ja oder nein?

Ich fühlte mich in ihrer Wohnung wie zu Hause, das sagte ich schon, vielleicht habe ich einmal die Krawatte ausgezogen, weil es ein heißer Tag war. Das ist denkbar. Ich war in ihrer Wohnung immer nur tagsüber. Das sagte ich schon. Und dann habe ich sie vielleicht vergessen, meine Krawatte, das ist möglich. Ich trage nicht immer eine Krawatte, wenn ich auf die Straße gehe, und so ist meine Krawatte in ihrer Wohnung geblieben.

Herr Doktor Schaad …

Das ist denkbar.

Die gerichtswissenschaftliche Expertise, die uns vorliegt, läßt keinen Zweifel zu, Herr Doktor Schaad: Es ist Ihre Krawatte.

Freispruch mangels Beweis –

Wie lebt einer damit?

Ich bin vierundfünfzig.

Sie erinnern sich also nicht, Herr Schaad, und Sie können noch immer nicht sagen, wo Sie gewesen sind an diesem Samstagnachmittag, als Rosalinde Z. in ihrer Wohnung in der Hornstraße