[Phyllis und Rosamond]
In diesem äußerst merkwürdigen Zeitalter, da wir anfangen, nach Bildern von Menschen zu verlangen, nach ihren Ansichten und ihren Überkleidern, mag eine getreue Skizze, die weniger gekonnt als wahrhaftig gezeichnet ist, eventuell von einigem Wert sein.
Ein jeder sollte, habe ich neulich gehört, die Einzelheiten seines Tagewerks aufschreiben; die Nachwelt wird sich über das Verzeichnis genauso freuen, wie wir uns freuen würden, hätten wir Aufzeichnungen darüber, wie der Türhüter des Globe Theaters und der Mann, der den Parkeingang bewachte, am18. März im Jahre des Herrn1568 den Samstag verbrachten.
Und da die Porträts, die wir haben, fast ausnahmslos dem männlichen Geschlecht angehören, das mit größter Auffälligkeit über die Bühne stolziert, scheint es sich zu lohnen, eine der vielen Frauen als Modell zu nehmen, die sich im Schatten drängen. Denn das Studium der Geschichte und Biographie überzeugt jeden vernünftigen Menschen davon, daß diese obskuren Gestalten eine ganz ähnliche Stelle einnehmen wie die Hand des Puppenspielers beim Tanz der Marionetten; und der Finger legt sich aufs Herz. Es stimmt, daß unsere einfältigen Augen jahrhundertelang geglaubt haben, die Figuren würden von selbst tanzen und ihre Schritte eigenständig wählen; und das bißchen Licht, das die Romanciers und die Historiker auf diesen dunklen, überfüllten Ort hinter den Kulissen zu werfen begonnen haben, hat uns bisher nur gezeigt, wie viele Fäden dort sind, die von obskuren Händen gehalten werden, von deren Rucks und Drehungen die ganze Tanzfigur abhängt. Diese einleitenden Worte führen uns an unseren Ausgangspunkt zurück; wir haben vor, so unverwandt wie möglich eine kleine Gruppe zu betrachten, die hier und heute lebt (am20. Juni1906); und die aus verschiedenen Gründen, die noch zu nennen sind, die Eigenschaften vieler zu verkörpern scheinen. Ihr Fall ist weit verbreitet, weil es schließlich viele junge Frauen gibt, die die Kinder wohlhabender, angesehener und hochgestellter Eltern sind; und sie alle müssen mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert sein, und leider kann es nur eine kleine Anzahl von Antworten für sie geben.
Sie seien zu fünft, allesamt Töchter, werden sie Ihnen trübselig erklären: ihr Leben lang anscheinend voller Bedauern über diesen Anfangsfehler ihrer Eltern. Überdies teilen sie sich in zwei Lager: zwei Schwestern stehen gegen zwei andere; die fünfte wechselt zwischen ihnen hin und her. Die Natur hat zweien ein robustes, kampflustiges Gemüt mitgegeben, das sich erfolgreich und recht glücklich politischer Ökonomie und sozialen Problemen widmet; während die anderen beiden leichtfertiger, häuslicher geraten sind, von weicherem und sensiblerem Temperament. Diese beiden sind folglich dazu verdammt, das zu sein, was man mit dem Jargon der Zeit als »höhere Töchter« bezeichnet. Ihre Schwestern, die sich für die Schulung ihres Intellekts entschieden haben, gehen auf die Universität, sind dort erfolgreich und heiraten Professoren. Ihre Karrieren ähneln denen der Männer so sehr, daß es sich kaum lohnt, sie eigens zum Gegenstand einer Untersuchung zu erheben. Die fünfte Schwester hat keinen so ausgeprägten Charakter wie die anderen vier; aber sie heiratet mit zweiundzwanzig, so daß ihr kaum Zeit bleibt, die charakteristischen Merkmale des höheren Töchtertums zu entwickeln, die zu beschreiben wir uns vorgenommen haben. In den beiden »höheren Töchtern« Phyllis und Rosamond, wie wir sie nennen wollen, findet sich ausgezeichnetes Material für unsere Untersuchung.
Ein paar Fakten werden uns helfen, ihren Standort zu bestimmen, bevor wir mit den Untersuchungen beginnen. Phyllis ist achtundzwanzig, Rosamond ist vierundzwanzig. Sie sehen hübsch, rotbackig und lebhaft aus; ein neugieriger Blick wird keine ebenmäßig schönen Züge finden; aber Kleidung und Haltung verleihen ihnen die Wirkung der Schönheit ohne deren Substanz. Ihre Heimat ist anscheinend der Salon, so als seien sie in seidenen Abendkleidern geboren und hätten niemals härtere Erde beschritten als den türkischen Teppic