Kapitel I
Es war ein Sonntagabend im Oktober, und gleich vielen anderen jungen Damen ihres Standes schenkte Katharine Hilbery Tee ein. Vielleicht ein Fünftel ihrer Gedanken war damit beschäftigt, der Rest nahm die kleine Hürde zwischen Montagmorgen und diesem eher gebändigten Moment und spielte mit den Dingen, die man freiwillig und normalerweise bei Tage tut. Doch obwohl sie schwieg, war sie offenkundig Herrin einer ihr hinlänglich vertrauten Situation und geneigt, sie ihren Gang gehen zu lassen, zum sechshundertsten Mal vielleicht, ohne eines ihrer ungenutzten Talente einzusetzen. Ein einziger Blick zeigte, daß Mrs Hilbery mit jenen Gaben, die Teegesellschaften älterer, distinguierter Herrschaften gelingen lassen, so reich gesegnet war, daß sie kaum der Hilfe ihrer Tochter bedurfte, vorausgesetzt, man befreite sie vom lästigen Umgang mit Teetassen, Brot und Butter.
In Anbetracht dessen, daß die kleine Gesellschaft noch keine zwanzig Minuten am Teetisch zusammengesessen hatte, machten die lebhaften Mienen und der gemeinsam erzeugte Geräuschpegel der Gastgeberin alle Ehre. Jemand, der in diesem Augenblick die Tür öffnete, schoß es Katharine plötzlich in den Sinn, würde denken, sie amüsierten sich; er würde denken: ›Da komme ich aber in ein ganz besonders nettes Haus!‹ und instinktiv lachte sie und sagte etwas, um den Lärm zu vermehren, zum Ansehen des Hauses vermutlich, denn sie selbst hatte sich nicht in Hochstimmung gefühlt. In ebendiesem Moment wurde, zu ihrem beträchtlichen Vergnügen, die Tür aufgerissen, und ein junger Mann trat ins Zimmer. Als Katharine ihm die Hand schüttelte, fragte sie ihn im stillen: »Nun, denken Sie, daß wir uns köstlich amüsieren?« … »Mr Denham, Mutter«, sagte sie laut, denn sie sah, daß ihre Mutter seinen Namen vergessen hatte.
Dieser Umstand war für Mr Denham ebenfalls merklich und steigerte noch die Verlegenheit, welche den Eintritt eines Fremden in ein Zimmer voll ungezwungener und sich in Wortschwällen ergehender Menschen unweigerlich begleitet. Zugleich schien es Mr Denham, als hätten sich zwischen ihm und der Straße draußen tausend weichgepolsterte Türen geschlossen. Ein feiner Dunst, die vergeistigte Essenz des Nebels draußen, schwebte deutlich sichtbar in dem weiten und ziemlich leeren Raum des Salons, ganz silbrig dort, wo sich die Kerzen auf dem Teetisch gruppierten, und dann wieder rötlich im Feuerschein. Noch ratterten in seinem Kopf die Omnibusse und Droschken, noch kribbelte sein Körper vom schnellen Gang durch die Straßen und dem Hin und Her zwischen Verkehr und Fußgängern, und so wirkte dieser Salon sehr abgeschieden und still, und die Gesichter der älteren Herrschaften wirkten abgeklärt und ein wenig distanziert voneinander und trugen einen sanften Schimmer, denn blaue Dunstfäden verschleierten die Luft. Mr Denham war eingetreten, als Mr Fortescue, der bedeutende Romancier,[1] eben in der Mitte eines sehr langen Satzes angelangt war. Er beließ diesen in der Schwebe, während der Neuankömmling Platz nahm, und Mrs Hilbery verband flink die zertrennten Teile, indem sie sich zu ihm beugte und bemerkte:
»Also, was würden Sie tun, wenn Sie mit einem Ingenieur verheiratet wären und in Manchester leben müßten, Mr Denham?«
»Sie könnte doch gewiß Persisch lernen«, unterbrach ein dünner, älterer Herr. »Gibt es denn in Manchester keinen pensionierten Schulmeister oder Gelehrten, bei dem sie Persisch studieren könnte?«
»Eine Cousine von uns hat nämlich geheiratet und ist nach Manchester gezogen«, erklärte Katharine. Mr Denham murmelte etwas, mehr wurde von ihm in der Ta