: Thomas Podhostnik
: Der falsche Deutsche
: Luftschacht Verlag
: 9783902844835
: 1
: CHF 8.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Es ist ein wortkarger, namenloser Jüngling, der hier aus seinem Land, das er hasst, geflohen ist. Das verhasste Land ist Deutschland und der Fluchtort ist Kuba, wo sich 'der Blonde' in einer aussichtslosen Freundschaft zu dem jungen, intellektuellen Kubaner Yanez verstrickt, welcher maßlos für Deutschland schwärmt. Für ein Deutschland, das es so jedoch niemals gegeben hat, ein Deutschland, das aus den Gedankenwelten eines Thomas Mann, eines Hegel, Heidegger und Kant besteht. Der aus dem Sehnsuchtsort Gekommene ist Yanez' Ideal, das zwangsläufig zerbrechen muss. Schließlich ist er nicht einmal ein richtiger Deutscher. Und auch der Fluchtort ist für den 'falschen Deutschen' kein gelobtes Land: Die einen werden eingeschlossen, die anderen aus, mein Freund ... ein unaufhaltsamer Abstieg beginnt. In seinem dritten Roman Der falsche Deutsche erzählt Thomas Podhostnik in schnellen Schnitten und innerhalb einer radikalen Dramaturgie von Freundschaft und dem Scheitern von Freundschaft, von kulturellen und sozialen Differenzen, von Identität, Rassismus und Vorurteilen, von Deutschland und Kuba, von uns und den Anderen.

Thomas Podhostnik, *1972 in Radolfzell, Ausbildung als Regieassistent am Teatro Nacional de Cuba (Havanna), Studium der Soziologie und Politik, Absolvent des deutschen Literaturinstituts Leipzig. Thomas Podhostnik ist für seine Texte mit mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnet worden und hat bisher in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Er lebt als freier Autor und Regisseur in Leipzig. www.podhostnik.de Titel bei Luftschacht: Der falsche Deutsche (Roman, 2015), Die Hand erzählt vom Daumen (Roman, 2011), Der gezeichnete Hund (Roman, 2008)

1


Kommen Sie aus der Nähe von Davos Platz?

Zweihundert Kilometer davon.

An einem Vormittag, an einem der Bauten desInstituto Superior de Arte lernte er Yanez kennen.

Ist es in Deutschland üblich, ein geliebtes Wesen privat zu siezen?

Nicht ohne Verstellung, obwohl dort jetzt immer Fasching ist.

Was wollen Sie damit sagen?

Schwer zu beschreiben, unter dieser Sonne.

Das Buch, sagte Yanez, habe ihn ermutigt, ihn auf Deutsch anzusprechen.

Er legte das Buch neben sich auf der Mauer ab.

War mein Satz ungewiss?

Unverständlich in einem Punkt. Angst?

Angst, ins Unrecht gesetzt zu werden.

Auch seine Statur und die blauen Augen, sagte Yanez, seien es gewesen. Und das flachsblonde Haar.

Sie haben die hohen Wangenknochen übersehen.

Wollen Sie damit sagen, Sie sind Russe? Beide lachten.

Yanez streckte ihm die Hand entgegen. Das Klacken der Hacken beim Zusammenschlagen blieb aus, Yanez trug Sandalen. Ob ich höflich fragen darf, wie Ihr Name ist?

Jetzt musste der Blonde lügen, wenn er einmal ein Deutscher sein wollte.

2


Sie schlenderten entlang derQuinta Avenida RichtungReparto Flores. Der Blonde wohnte in einem der blauen Hausblöcke am Strand. Ein Kadaver lag am Straßenrand, rote Krabben stocherten mit den Zangen in der klaffenden Bauchhöhle eines Hundes.

Die Hunde hier sind eine Sensation, sagte er.

Finden Sie?

Ja, es gibt so viele und alle sind unfassbar hässlich.

Mir stinken diese Hunde, sagte Yanez. Niemand räumt sie weg. Das ist unordentlich und unzivilisiert.

Ah, Kafka. Yanez zog das Buch zwischen den alten Russen, Franzosen und Italienern hervor, eine zerfledderte, eingerissene Taschenbuchausgabe mit Kulikritzeleien auf dem Umschlag. Yanez fuhr mit dem Finger die Anstreichungen auf den Seiten nach.Unverstand, las er laut,Unverstand. Ist es nicht perfekt, diesesUnverstand? Einfach perfekt!

Dabei war Kafka nicht mal Deutscher.

Das merkt man wahrlich nicht. W