Prolog
Myla
Vor vierzehn Monaten …
Als ich eines der drei »Shivers«-Restaurants, die es in San Francisco gibt und die »für jeden etwas« bieten, durch den Mitarbeitereingang betrete, kann ich noch immer nicht fassen, dass ich tatsächlich hier arbeite. Mit meinen fünfundzwanzig Jahren sollte ich eigentlich lieber meine Karriere in Gang bringen und nicht kellnern. Aber als ich meine Sachen in Texas in meinen Wagen gepackt und meine ganzen Ersparnisse aufgebraucht habe, um hierherzukommen, hatte ich ja auch etwas ganz anderes vor. Als ich dann hier eintraf, war die Stelle, die ich annehmen wollte, längst vergeben. Mein Traum, Modedesignerin zu werden, lag noch in weiter Ferne, aber der Schritt von der Einkäuferin einer kleinen Boutique zu der eines der größten Modegeschäfte der Welt hätte zumindest in die richtige Richtung geführt.
Ich schließe die Tür hinter mir und stehe in einem kleinen Umkleideraum, wo ich vor dem ersten der zwölf Spinde stehen bleibe. Nachdem ich die Kombination ins Schloss eingegeben und die Tür geöffnet habe, lege ich rasch meine Handtasche hinein und nehme die rosafarbene Schürze vom Haken. Während ich sie mir umbinde, bereue ich wieder einmal, dass sie nicht den tiefen V-Ausschnitt meines grell-pinken »Shivers«-T-Shirts verdeckt. Denn anders als einige der anderen Mädchen hier ziehe ich es vor, mein Gehirn zu benutzen, um in der Welt voranzukommen – und nicht meine Brüste. Allerdings sind meine Brüste vermutlich der Grund dafür, dass ich überhaupt eingestellt wurde. Mein Boss Eduardo verbringt viel zu viel Zeit damit, sie anzustarren. Es gefällt mir zwar nicht, aber von irgendwas muss ich schließlich meine Rechnungen bezahlen.
Kaum habe ich die Spindtür geschlossen, das Schloss wieder angebracht und mich umgedreht, renne ich schon förmlich gegen einen großen, breiten Körper. »Eduardo«, stoße ich keuchend aus. »Ich habe dich gar nicht reinkommen hören.«
Er sieht mich wie immer mit halb geschlossenen schweren Lidern an und verschränkt seine muskulösen Arme vor seiner breiten Brust. Mir ist die Art, wie er mich anstarrt, jedes Mal unheimlich. »Der Geschäftsführer der Kette ist heute Abend im Haus und speist im privaten Speisezimmer im Untergeschoss. Du wirst dich um ihn kümmern.«
»Ich? Aber ich werde doch noch immer angelernt.«
»Du wirst ihm gefallen, und das ist alles, was zählt.« Er stemmt die Hände in die Hüften. »Bei Joe an der Bar wartet eine Zweitausenddollarflasche Tequila darauf, dass du sie dem Mann bringst. Und beeil dich, er hat Durst.« Bei diesen Worten dreht er sich um und geht, und ich stehe einige Sekunden lang einfach nur da, bevor ich mich schließlich kurz schüttle und in Bewegung setze. Ich gehe hinter ihm her durch einen langen Flur und an mehreren Büroräumen vorbei.
Im Restaurant ist die Hälfte der Plätze an den Holztischen und der Bar bereits besetzt, aber da es Freitagabend ist, wird es bald brechend voll sein. Das bedeutet, dass es richtig viel Trinkgeld geben wird, und ich kann nur hoffen, dass ich das nicht wegen des Besitzers verpasse, der mir vermutlich gar kein Trinkgeld geben wird. Ich gehe nach rechts bis ans Ende der hufeisenförmigen Bar, und Joe kommt mir entgegen und stellt zwei Gläser vor mir ab. »Verschütte ja nichts davon. Das ist flüssiges Gold.«
»Ich weiß nicht mal, wo ich eigentlich hinmuss.«
Er deutet hinter mich, und ich schaue über die Schulter zu einem Bogengang und dann erneut zu ihm, doch er hat sich bereits abgewandt. Also hole ich tief Luft, nehme die bei