2. Kapitel
Theo hat mich verlassen.«
Roses Worte klangen durch die kühle Morgenluft aus der Jogger-Gruppe, die vor Kate Ivory lief.
»Los, komm«, sagte Kate zu ihrer Begleiterin. »Das muss ich unbedingt hören.« Mit diesen Worten beschleunigte sie deutlich. Camilla kam fast aus der Puste bei dem Versuch, Schritt zu halten.
»... mit dieser schrecklichen Lynda«, war gerade Roses hohe, kindliche Stimme zu vernehmen.
»Mir ist kalt. Lust habe ich auch keine mehr«, meinte Camilla. »Lass uns nach Hause gehen.«
»Ausgeschlossen. Um zehn vor sechs aufzustehen und in die dunkle Kälte rauszugehen ist der schrecklichste Moment des ganzen Tages. Das eigentliche Joggen fällt dann doch ganz leicht. Eigentlich fällt alles leicht, was danach noch kommt. Was ist denn los mit dir heute Morgen?«, fragte Kate etwas abgehackt, wie immer, wenn sie sich warm lief. »Normalerweise bin ich doch diejenige, die morgens schlecht gelaunt ist. Im Grunde erwarte ich von dir, aufgeheitert und im Trott gehalten zu werden.« Camilla war Schulleiterin und musste schließlich wissen, wie man Menschen bei Laune hielt.
Schemenhaft tauchten Bäume und Häuser aus dem langsam heraufdämmernden Morgenlicht auf. Wasser plätscherte über den Sportplatz, und Kate konnte eine Möwe erkennen, die sich wie ein weißer Schatten auf einem Torpfosten niederließ. Ein paar Stockenten dümpelten in einer riesigen Lache an der Stelle, wo an Halloween das große Feuer gebrannt hatte.
»Wir haben acht Kilometer vor uns, prall gefüllt mit Roses Beschwerden über Theo«, sagte Camilla. »Ich habe nicht die geringste Lust, mir das anzuhören. Ich würde sogar eine Diskussion über die Nützlichkeit von Prüfungen oder die Aussichten der Zentrumspartei bei den nächsten Wahlen vorziehen.« Sie wurde langsamer, bis Roses Stimme nicht mehr zu verstehen war. »Ich habe mir oft gewünscht, Rose würde ihre Stricknadeln nehmen und den Mann einfach sitzen lassen. Jetzt hat er sie also verlassen. Gut für sie. Aber die Details interessieren mich wirklich nicht.«
Allmählich erwachten die Fenster ringsumher. Eines nach dem anderen leuchtete gelblich auf. Die Menschen standen auf. Sie knipsten Licht an, gähnten, äugten in den stürmischen Morgen hinaus und versuchten einzuschätzen, was der Tag bringen würde. Kate wünschte sich nichts sehnlicher, als drinnen im Warmen zu sein, aber weil das nun mal nicht ging, wollte sie wenigstens den ganzen Klatsch und Tratsch der Jogging-Gruppe von Fridesley aus erster Hand mitbekommen. Normalerweise hatte Camilla genauso viel Spaß daran, intimen Bekenntnissen aus dem Privatleben der anderen Jogger zu lauschen. Körperliche Anstrengung schien etwas Befreiendes an sich zu haben, das Menschen dazu brachte, während des Rennens über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen.
Der breite reflektierende Streifen, der Camillas dunkelgrün eingehüllten Oberkörper wie ein Rettungsring umgab, bewegte sich gleichmäßig im Rhythmus ihrer Füße auf und ab. Camilla trug kein Wort zur Unterhaltung bei, und Kate musste sich eingestehen, dass Camilla eine Ausnahme bei der allgemeinen Seelenentrümpelung bildete.
Langsam wurden Kates Muskeln warm. Sauerstoff durchflutete Gehirn und Füße. Sie fühlte sich immer besser. Zwar wünschte sie immer noch, sie könnte in Richtung ihres gemütlichen Hauses abbiegen und das Paket mit den zimtbestäubten Doughnuts anbrechen, das sie eigentlich am Vortag nicht hätte kaufen dürfen und deshalb ganz hinten im Schrank versteckt hatte. Aber sie wollte auch wirklich gern mehr über Rose und Theo erfahren. Das war wohl ihrer schriftstellerischen Neugier zu verdanken, sagte sie sich.
Die ersten Pendler machten sich auf den Weg in die Innenstadt von Oxford. Ihre Autos wirkten in der trüben Morgendämmerung wie dunkelgraue Schemen, deren Abblendlichter goldene Kegel in den Dunst zauberten.
»Wir müssen verrückt sein. Da stehen wir zu einer absolut unchristlichen Zeit auf, nur um die anderen nicht hängen zu lassen«, sagte Camilla. »Wenn wir dann draußen sind und laufen, überkomm