: Katja Maybach
: Die Stunde unserer Mütter Roman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426425329
: Mütter und Töchter
: 1
: CHF 10.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In ihrem neuen und zugleich persönlichsten Roman 'Die Stunde unserer Mütter' erzählt Katja Maybach, inspiriert durch ihre eigene Familiengeschichte, von zwei unterschiedlichen Frauen in den Kriegs- und Schicksalsjahren 1940 bis 1945. Kraftvoll, gefühlsstark und authentisch zeigt dieser Roman den immer schwerer zu bewältigen Alltag, die Bedrohung durch die Gestapo und selbst durch Nachbarn und vermeintliche Freunde, die Hilflosigkeit aber auch den Widerstand gegen den Hass, der sich immer weiter ausbreitet. Doch zugleich erzählt Katja Maybach in 'Die Stunde unserer Mütter' auch vom Bewahren der eigenen Menschlichkeit und von der Liebe, die verloren geglaubt ist und dennoch zum Moment der Hoffnung wird. Durch die eingeflochtenen Feldpostbriefe und Tagebuchauszüge von Katja Maybachs eigenem Vater erhält dieser Roman seine besondere Kraft und Wahrhaftigkeit. Im Mittelpunkt stehen Maria und Vivien, die einander nie besonders sympathisch waren - und jetzt eine Schicksalsgemeinschaft bilden, aus der nach und nach tiefe Freundschaft entsteht. Dabei sind die beiden Frauen denkbar unterschiedlich: Während Maria, die ihren Mann, den Forstbeamten Werner, gegen den Willen ihrer Familie heiratete, mittlerweile an ihrer Ehe zweifelt, schmerzt die Engländerin Vivien jede Minute der erzwungenen Trennung von ihrem Mann Philipp. Maria ringt bei jedem Feldpostbrief Werners mit sich, die Distanz, die zwischen ihnen entstanden ist, zu durchbrechen und ihm ein paar liebevolle Worte zu schreiben. Vivien dagegen, die nur deshalb in der Kleinstadt vor den Toren Münchens Zuflucht gesucht hat, um ihren Mann, der im Widerstand tätig ist, nicht zu gefährden, wartet nur auf ein Zeichen, um zu ihm zurückzukehren. Während Maria zu ihrer verträumten Tochter Anna nur schwer Zugang findet, sind Vivien und ihre Tochter Antonia einander sehr ähnlich. Doch je schmerzhafter die täglichen Einschränkungen werden, je näher der Krieg ihnen kommt und je größer die Gefahren von Denunziation und Anfeindungen werden, desto enger rücken die beiden Frauen zusammen ...

Katja Maybach war bereits als Kind eine echte 'Suchtleserin', was beinahe automatisch zum eigenen Schreiben führte. Schon mit zwölf Jahren schrieb sie ihren ersten Roman und einige Kurzgeschichten. Doch sie hatte immer schon eine zweite Leidenschaft: die Mode. Und so gewann sie mit fünfzehn Jahren den Designerpreis einer großen deutschen Frauenzeitschrift für den Entwurf eines Abendkleides. Mit siebzehn ging sie nach Paris und wurde zuerst Model in einem Couture Haus, später eine erfolgreiche Designerin. Nach einer schweren Krankheit begann sie, Romane zu schreiben. Bereits ihr Debüt 'Eine Nacht im November' war ein großer Erfolg und wurde in Frankreich ein Bestseller. Heute lebt die Autorin in München, sie hat zwei erwachsene Kinder.

Eins


Eine bayrische Kleinstadt/Mai 1940

Die kühle Frühlingsluft ließ Maria frösteln, so stand sie auf und zog in der Küche das Fenster zu. Es klemmte und ließ sich nicht richtig schließen. Vieles war defekt in dem alten Haus, in dem sie seit sechzehn Jahren lebte.

Mit einem Seufzer zog sie einen Stuhl an den Tisch heran und strich über den zerknitterten Brief ihres Mannes Werner. Heute Morgen war er mit der Post gekommen, nachdem er monatelang unterwegs gewesen war.

Geschrieben im Felde

Von Offizier Dr. Werner Richter

30. März 1940

Doch als es von der nahe gelegenen Kirche zwei Mal schlug, sprang sie auf. Die Uhr in der Küche war stehengeblieben, so war sie spät dran. Rasch nahm sie den Brief vom Tisch, lief in die Diele, denn sie durfte auf keinen Fall den Bus nach München verpassen, und während sie in ihren schwarz-weiß karierten Mantel schlüpfte, steckte sie den Brief in ihre Handtasche.

»Nadja?«, rief sie nach oben. Ein leichtes Rumoren im Dachgeschoss war die Antwort, dann erschien die junge Russin auf dem Treppenabsatz im ersten Stock. Sie sah zu Maria herunter.

»Ich gehe jetzt, Nadja. Kannst du bitte dafür sorgen, dass Anna nicht wieder die Turnstunde schwänzt? Und wo ist Hella? Hoffentlich ist sie nicht wieder zu Frau Hofer über den Zaun gesprungen.«

Nadja lachte und kam die Treppe herunter. »Keine Sorge, Maria, ich kümmere mich um alles. Ich war gerade oben auf dem Dachboden, der Sand reicht nicht, du musst nachbestellen.«

Jeder Haushalt war angewiesen worden, den Speicher leer zu räumen und im gesamten Dachgeschoss Sand auf den Boden zu streuen, für den Fall eines Brandbombenangriffs.

»Ja, ja, ist schon gut, das mache ich.« Da war sie wieder, diese Müdigkeit, der Überdruss, das Sich-so-fremd-Fühlen im eigenen Leben »Du siehst blass aus.« Nadjas Sorge tat Maria gut, und sie hängte sich bei der jungen Frau ein. Zusammen verließen sie das Haus. Am Gartentor angekommen, warf Maria einen schnellen Blick auf das Nachbargrundstück. Frau Hofer hatte sie vor einer Woche auf der Straße angesprochen.

»Ihr Dienstmädchen ist keine Deutsche, nicht wahr, Frau Doktor?«

»Doch, das ist sie, und sie lebt bereits seit acht Jahren in unserer Familie«, hatte Maria ruhig geantwortet. »Und bitte nennen Sie mich einfach nur Frau Richter. Ich habe keinen Doktortitel, sondern mein Mann.« Als sie das aussprach, hatte Maria mit dem Gedanken gespielt, wie schön es doch wäre, wieder Maria Kroll zu sein.

»Da hinter dem Haus, siehst du?« Nadja riss Maria aus ihren Gedanken. »Hella buddelt schon wieder die Radieschen aus.«

Lächelnd sahen die beiden Frauen sich an.

»Ich glaube, sie ist der einzige Hund, der Radieschen frisst«, meinte Maria kopfschüttelnd. »Naja, Hauptsache, sie ist nicht zu Frau Hofer über den Zaun gesprungen. Also, bis heute Abend.«

Als Maria das Gartentor hinter sich schloss, sah