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Einen halben Kilometer vor Loberga Gård funktionierte das Navigationsgerät plötzlich nicht mehr. Die Karte verschwand, stattdessen erschien auf dem Bildschirm der Text, die Route sei nicht zu finden. Da ich wusste, dass die Straße am Tor des Gutshofs endete, machte ich mir keine Sorgen, obwohl auch das Handy meldete, es habe kein Netz. Ich fuhr weiter, bis der Schnee, der sich in einer Lichtung auf der Straße angesammelt hatte, den Wagen ins Rutschen brachte.
Im selben Moment zerbarst das Heckfenster. Außer Glassplittern hagelte noch etwas anderes ins Auto. Schrotkugeln.
Ich hielt an, schaltete den Warnblinker ein, zog meine Glock und stieg aus, um den Schaden zu begutachten. In der Scheibe war ein fünf Quadratzentimeter großes Loch, von dem drei Risse ausgingen. Ich holte die Werkzeugkiste aus dem Kofferraum und klebte Panzerband über das Loch und die Risse, war dabei aber ständig auf dem Sprung, mich auf den Boden zu werfen, sollten weitere Schüsse fallen. Die Scheinwerfer machten mich zu einem leichten Ziel.
«Kapierst du Arschloch, dass hier Menschen sind!», brüllte ich in den Wald, doch der Schnee und der Sturm verschluckten meine Stimme. Ich stieg wieder ein und inspizierte eine der Kugeln. Sie maß allem Anschein nach vier Millimeter. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, Gas zu geben und möglichst schnell wegzufahren. Hatte man etwa absichtlich auf mich geschossen? Wollte mir jemand Angst einjagen, damit ich es nicht wagen würde, zum Gutshof Loberga zu fahren? Der Gedanke stachelte mich auf: So leicht ließ ich mich nicht einschüchtern. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit einer Waffe bedroht wurde. Daran konnte und durfte man sich nicht gewöhnen. Wenn mich tatsächlich jemand loswerden wollte, noch bevor ich mein Ziel erreicht hatte, musste die Aufgabe, die mich dort erwartete, enorm wichtig sein. Im schlimmsten Fall sogar lebensgefährlich.
Ich holte ein paarmal tief Luft und ließ den Motor an. Obwohl ich langsam fuhr, erreichte ich schon nach einer Minute das Tor des Gutshofs. Es war geschlossen, aber links entdeckte ich in Höhe des Seitenfensters eine Klingel, darüber eine Überwachungskamera. Da das Autofenster zugefroren war, musste ich die Tür öffnen, um zu klingeln. Ein Wappen schmückte das Tor. Zwei gekreuzte Schwerter, darunter ein stilisierter Luchskopf. Das gleiche Wappen hatte auch auf dem Brief geprangt, mit dem ich nach Loberga eingeladen worden war. Bald nachdem ich geklingelt hatte, glitt das Tor auf. Offenbar verließ sich die Person im Haus darauf, dass ich diejenige war, die sie erwartete.
Das zweistöckige Gutshaus war in dem hellgelben Ton getüncht, wie man ihn vom Senatsplatz in Helsinki kennt, den Haupteingang rahmten Doppelsäulen ein. Ich parkte vor der Treppe und legte eine Plane über das Heckfenster. Dann stieg ich die Stufen zur Tür hinauf, fand aber keine Klingel, sondern nur einen Klopfer. Als ich nach ihm griff, merkte ich, dass die Tür offen war. Ich betrat die Eingangshalle.
«Treten Sie näher und gehen Sie durch die erste Tür in die Bibliothek. Ich komme gleich.»
Die Stimme kam vom oberen Ende der Treppe. Eine gebogene Spiegelwand ließ oben eine menschliche Gestalt erkennen, die im selben Moment verschwand. Ich folgte der Aufforderung und