* 1 *
Januar 1958
Es war das Erste, was ich sah, als ich an jenem Morgen die Augen aufmachte. Ein orangefarbenes Rechteck von der Farbe heißer Lava an meiner Schlafzimmerwand. Es kam von dem Licht, das in einem staubigen Strahl durchs Fenster strömte und wie ein langsamer, ruhiger Film an der Wand spielte. Nur dieses sonderbare orangefarbene Licht. Ich war mir sicher, dass es jeden Moment verschwinden würde, wie ein Regenbogen, der auftaucht und im Nu wieder verblasst, du schaust dorthin, wo er eben noch war, und er ist nicht mehr da, höchstens ganz, ganz schwach, und auch das bildest du dir vielleicht nur ein, weil du dich daran erinnerst, was du gerade gesehen hast.
Ich ging zum Fenster und blickte hinaus. Der Himmel war neblig-violett, wie die Farbe der zarten Haut unter Mutters Augen, Halbkreise, die dunkel wurden, wenn sie müde war. Die Sonne eine verschwommene, tiefrote Kugel. Man konnte sie durch den Nebel direkt anschauen, wie einen Edelstein unter Lagen von Seidenpapier. Wahrscheinlich blühte uns irgendeine Art seltsames Wetter. Im Osten Kubas gab es Tage, an denen ich gleich morgens beim Aufwachen merkte, dass sich das Wetter radikal verändert hatte. Von meinem Fenster aus konnte ich die Bucht sehen, und wenn ein tropischer Sturm aufzog, streute die aufgehende Sonne Lichtbänder in die dichten Wolken, die sich am Horizont über dem Wasser türmten, und färbte sie rosa, als würden sie von innen beleuchtet. Ich liebte das Gefühl, mitten in einem drastischen Umschwung aufzuwachen, zu wissen, dass die Dienstboten, wenn ich hinunterging, hin und her rennen, die Terrassenmöbel hereinholen und Bretter vor die Fenster nageln würden, während draußen, in der warmen, böigen Luft, die erste Riesenwelle als glasige grüne Wand heranbrandete und das Ufer gleich hinter unserem Garten durchnässte. Wenn der Sturm schon angefangen hatte, prasselte der Regen aufs Haus, und es war so dunkel in meinem Zimmer, dass ich die Nachttischlampe einschalten musste, um auch nur die Uhrzeit zu erkennen. Ich fand Veränderungen aufregend, und als ich an diesem Morgen aufwachte und ein Rechteck aus orangefarbenem Licht an meiner Wand sah, hell wie glühende Kohlen, schien es, als würde gleich etwas ganz Besonderes passieren.
Es war früh am Morgen, und Mutter und Papa schliefen noch. Mein Bruder Del war zu dem Zeitpunkt schon drei Wochen weg, seit unserer Rückkehr aus den Weihnachtsferien in Havanna. Obwohl Papa nicht offen darüber sprach, wusste ich, dass Del mit Raúls Kolonne oben in den Bergen war. Ich hatte für den Billardsalon in Mayarí nie viel übriggehabt, aber seit Dels Verschwinden lungerte ich öfter dort herum. In Preston etwas über die Rebellen zu erfahren war schwierig. Die Kubaner wussten zwar alle, was los war, aber in Gegenwart von Amerikanern sagten sie nichts. Die Firma übte ziemlich starken Druck auf die Arbeiter aus, damit sie sich von jedem fernhielten, der irgendwas mit den Rebellen zu tun hatte. Wer hätte da mit dem dreizehnjährigen Sohn des Chefs geredet? In Mayarí betranken sich die Leute und machten den Mund auf. Eine Woche davor hatte mich ein altercampesino an der Schulter gepackt. War mit seinem Gesicht so nah an meins herangekommen, dass ich seinen Rumatem riechen konnte. Und etwas über Del gesagt. Dass er noch jung sei, aber bald zu einem der ganz Großen werden würde. Einem Befreier der Menschen. Wie Bolívar.
Ich hörte Annie Frühstück machen, Schubladen öffnen und schließen. Ich schlüpfte in meine Pantoffeln und ging hinunter. In der Küche war es so dunkel, dass ich kaum etwas erkennen konnte. Annie hatte alle Fenster verriegelt und die Jalousien heruntergelassen. Ich fragte sie, warum sie nicht die Fensterläden aufklappte oder eine Lampe einschaltete.
Dienstboten haben komisch