: Hildegard Knef
: Romy Schneider Betrachtung eines Lebens
: Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783841900418
: 1
: CHF 10,50
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 176
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Hildegard Knef erzählt die Geschichte der Romy Schneider - einfühlsam, bewegend, hellsichtig. Über 25 Jahe nach ihrem viel diskutierten Erscheinen hat diese Biografie, lange Zeit vergriffen, nichts von ihrer Frische und Prägnanz verloren.
Romy Schneider– Betrachtung eines Lebens(S. 23-24)

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Das gleiche Lied dudelt seitüber einer Stunde– zunehmend kratziger werdend. Romy tanzt allein nach Sammy Davis’›The party is over…‹, Augen geschlossen, Schuhe von sich stoßend, Whiskyglas in der Rechten, Zigarette in der Linken. Ruft zuweilen bettelnd, zuweilen aggressiv:»The party is not over.« Obgleich es nach zwei Uhr nachts, gibt es weder Beschwerden, verärgertes Klopfen noch Ruhestörungsverweise. Die größte Suite des Hotel Gerhus im Berliner Grunewald mit seinen Biedermeier- und neoklassizistischen Jahrhundertwendemöbeln ist kerzenbeleuchtet und mit einem endlosen Spalier goldpapierumwickelter Glückskäfer besät.

Sie kleben auf Telefonen, ziehen eine unübersehbare Bahn ins Schlafzimmer, liegen in seltsam originellen Formationen auf Bett und Nachttischen, machen selbst vor dem rosagekachelten Bad und Toilettendeckel nicht halt, verlaufen endlich in einer Nische, in der sündteure Petit-Point- Koffer säuberlich gestapelt.

Die von Romy erdachte– und mit verlegenem Stolz vorgezeigte– teenagerhafte Spielerei ist anrührend und zugleich irritierend, insbesondere wenn man auf einen der zahllosen klebrigen Glücksbringer tritt. Seit wenigen Tagen und Nächten sind die altmodisch pompösen Räume Fluchthöhle des jungverliebten Paares Harry Meyen-Haubenstock und Romy Schneider-Albach, einst vergessenes Internatskind, nunmehr vergessenwollende Film-Sissi, Ex-Verlobte des faszinierend-schönen Alain Delon. Nach fünf Jahren leidenschaftlicher Bindung und schnödem Abbruch, Verlust eines schwererkämpften Erfolgs in fremder Sprache– von der Presse mit schadenfrohem Geheul bedacht– zelebriert sie hemmungslos ihr neues Glück.

Das›Neue Glück‹, Harry Meyen, liegt auf einem der hochbeinigen Sofas, lächelt amüsiert, während mein Mann sich einer Bocksbeutelflasche hingibt und kieferknackend mehrmals das Gähnen unterdrückend auf die düsteren Fenster stiert. Ich hingegen bin rundum›geschafft‹. Ich spiele seit Monaten Abend für Abend die Titelrolle in William Henleys beschwerlichem, dem Darsteller alles abfordernden Theaterstück Mrs. Dally.›Warum tanzt sie allein?‹ denke ich flüchtig, wissend, daß mein Freund Harry nicht nur besonders gern, sondern auchüberaus fantasievoll tanzte.

Offensichtlich hatte er sich während der letzten Jahre für die Rolle des intellektuellen Regisseurs entschieden, der solch verkicherter Ausgelassenheit abhold– gleichermaßen offensichtlich ist Romy hingerissen von dem selbstkontrollierten, gebildeten, verbal begabten, zuweilen unterkühlt erscheinenden Harry, der obendrein zweifellos attraktiv, makellos gekleidet und von bizarr-selbstironischem Humor ist. Wenig ahnt sie von der Verletzbarkeit des während seiner Kindheit umhergestoßenen Halbjuden Haubenstock, der des Stiefvaters arischer klingenden Namen angenommen, um zuüberleben; ebensowenig weiß sie von der verbissen-disziplinierten Ambition, mit der er im Nachkriegsdeutschland eine Karriere als Schauspieler und Theaterregisseur aufgebaut hatte.