Der Sohn des Dämons
von Catalina Corvo
nach einer Story von Uwe Voehl
1. Kapitel
Zu spät bemerkte Georg Zamis die zuckende Bewegung im Schatten. Bevor er in den schnelleren Zeitablauf wechseln konnte, wand sich die feuchte Schlinge schon um die Handgelenke und seinen Hals. Im nächsten Augenblick rann eine schleimige Flüssigkeit über sein Gesicht. Sie nahm ihm die Sicht und füllte seinen Mund, nistete sich ein und quoll immer wieder hervor wie Speichel. Je mehr er davon ausspuckte, umso mehr entstand neu. Der bittere Geschmack ließ ihn würgen. Eine weitere Fessel schnürte seinen Brustkorb und seine Beine ein, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Er verfluchte sich für seine Unvorsichtigkeit, aber es war zu spät.
Schließlich wisperte eine vertraute Stimme in sein Ohr. »Du hättest vorsichtiger sein sollen. Aber nun werden wir dir eine Lektion erteilen müssen.«
Georg spuckte aus. »Wieso hast du mich verraten?«, röchelte er. »Wir sind doch …«
»Verwandt?« Die Stimme lachte tonlos. »Blut ist dicker als Wasser, heißt es.«
Jemand zerrte Georg an seinen Fesseln in die Höhe. Dann kam er mit dem Rücken auf einem kalten, glatten Stein zu liegen.
»Das werde ich jetzt herausfinden. Wenn ich dich aufschneide. Dein Innenleben ist bestimmt sehr interessant.«
Zunehmend panisch kämpfte Georg mit dem Schleim, der mittlerweile seine Kehle hinabrann. »Du bist ja krank!«, röchelte er.
»Ich weiß. Und gegen manche Krankheiten gibt es nur eine Heilung.«
Warme Finger fuhren erstaunlich sanft über seine Wangen und seinen Hals, bevor dieselben zärtlichen Finger brutal auf seine Gurgel drückten, um ihm das Hemd aufzureißen.
»Den Tod …«
Wien, 31. Oktober 1926
Als die Uhren halb zwölf schlugen, schlummerte der Wiener Zentralfriedhof längst einen tiefen, traumlosen Schlaf. Nur ein einzelner, großer Mann schritt zwischen den Grüften entlang. Der hochgeschlagene Mantelkragen verbarg sein Gesicht weitgehend. Lediglich schwarzes Haar lugte unter dem Kragen seines modischen Hutes hervor. Ein schwarzer Schnauzbart überschattete die Mundpartie. Er trug feine Lederhandschuhe. In der Hand hielt er eine Ledertasche, darin wehrte sich etwas gegen die Enge. Immer wieder beulte sich das Leder aus.
Vor einer weiß schimmernden Marmorgruft hielt er inne. Wilder, blutroter Wein rankte sich an beiden Säulen hoch, die die vergitterte Eisentür flankierten. Der Besucher musterte den Türrahmen aufmerksam. »Gesegnet sei das Geschlecht Ihro Hochwohlgeboren der Grafen von Seydlak«, verriet ein edel gravierter Schriftzug den Familiennahmen der hier Bestatteten. Unvermittelt riss der Mann eine Weinranke a