2. Kapitel
Athos, der heilige Berg. Und seine Halbinsel. Gut dreihundert Quadratkilometer Landfläche im Nordosten des alten Hellas, bewohnt von wenig mehr als zweitausend Menschen – allesamt Mönche. An wenigen anderen Orten der Welt stieß man in so schneller Folge auf derart viele Klöster und klosterähnliche Siedlungen, war der orthodoxe Glaube so allgegenwärtig wie die Luft zum Atmen. Das älteste Kloster, so wusste Dorian Hunter inzwischen, war schon vor dem ersten Jahrtausendwechsel entstanden, zwanzig von ihnen zählten inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch von derlei Meriten merkte man vor Ort wenig. Ruhm und Glanz schienen dem Alltag der Einwohner dieser bemerkenswerten Mönchsrepublik vollkommen unwichtig zu sein, die Aufmerksamkeit der nach Obskuritäten süchtigen Welt scherte sie kein bisschen.
Letzteres spielte dem Dämonenkiller in die Hände. Dorian hatte sich am Flughafen von Thessaloniki einen Mietwagen genommen und war querfeldein gefahren, mit nichts als dem sonnenbeschienenen Land vor sich und gelegentlichen Telefonkontakten mit Don Chapman als Begleitung. Er hatte die Fahrt genossen, vorbei an kleinen Dörfern und weiten Feldern, an weiß getünchten Natursteinmauern, knorrigen Bäumen und Ziegenherden, die so selbstverständlich und unbeaufsichtigt über die schmalen Straßen der griechischen Provinz trotteten, als hätten sie und nicht die Menschen sie gebaut.
Nahe Ierissos, der letzten größeren Siedlung vor der Halbinsel, die sein Ziel war, sah er wieder das Meer, ein in der Sonne glitzerndes Überall, das sich scheinbar grenzenlos bis zum Horizont erstreckte. Die letzten Hotels, die letzten Gaststätten. Dann nur noch Weite. Betrat man Chalkidiki, so schien es Dorian, ließ man jeglichen Tourismus und jedwede Moderne hinter sich. Auf einmal waren da allein der allgegenwärtige Ozean, die Natur und die eigenen Gedanken. Die Reise zu sich selbst.
Kein Wunder, dass es gerade hier so viele Klöster hat, dachte er, als er seinen Wagen endlich von der Landstraße weg und auf die Buckelpiste lenkte, die ihn zu der von ihm ausgewählten Skite führen würde. Skite hießen die Mönchsdörfer auf der Halbinsel; kleine, einzig von Männern Gottes bewohnte Gemeinden, die unter der Obhut und der administrativen Leitung des jeweils nächstgelegenen Großklosters standen. Die meisten von ihnen lagen nahe der Küste und schienen fast, als habe man ihre Bauten und Wege vor langer Zeit aus den steinernen Klippen herausgeschlagen, die hier die Landschaft prägten wie kaum etwas sonst. Würzige Seeluft und der Duft der Olivenbäume begrüßten Dorian, kaum dass er geparkt und die Wagentür geöffnet hatte.
Es wurde bereits rapide dunkel, doch die Ruhe, die ihn in den Straßen der Skite nahe Athos umarmte wie einen heimgekehrten Freund, schien zeitlos zu sein und sich nic