Einleitung
Zwei Aspekte haben meine Spiritualität bisher geprägt: Da war einmal der Aspekt, dass Gottesbegegnung immer auch Selbstbegegnung voraussetzt. Oft habe ich – in der Nachfolge der frühen Mönche – darüber geschrieben, wie man die eigenen Gefühle, Gedanken, Leidenschaften und Emotionen beobachtet und sie im Gebet Gott hinhält, damit sie verwandelt werden.
Der andere Aspekt war die therapeutische Dimension der Spiritualität. Jesus hat seine Jünger ausgesandt, um Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben. So habe ich die heilende Kraft biblischer Texte, kirchlicher Rituale und spiritueller Übungen meditiert und beschrieben. Mir war es wichtig, dass in meinen Büchern etwas von dieser heilenden Kraft Jesu spürbar wird.
Über das Thema Schönheit habe ich noch nie geschrieben. Vielleicht wundern sich Leserinnen und Leser darüber, dass ich mich nun mit diesem Thema beschäftige. Zunächst war die Beschäftigung eher zufällig. Ich sollte eine Fastenpredigt halten mit dem Thema »Schönheit und der Charme des Glaubens«. Bei der Vorbereitung dieser Predigt ist mir aufgegangen, wie heilsam dieses Thema für mich selbst ist und wie sehr es meine Spiritualität bereichert. Denn wenn ich über Schönheit nachdenke und Schönes bestaune, so entspricht das der kontemplativen und mystischen Spiritualität. Ich schaue das an, was ist. Ich lasse mich berühren von dem Schönen, das mir in der Natur, in der Kunst und im Menschen begegnet. Ich empfange das Schöne, das mir vorgegeben ist. Und in diesem Schönen erahne ich die Urschönheit Gottes, von der die Mystiker schreiben.
Es ist also eine Spiritualität, in der die Gnade im Mittelpunkt steht und nicht das eigene Tun. Ich nehme das Schöne wahr, und ich spüre, wie es mir guttut, wie heilend es auf mich wirkt. Die Beschäftigung mit dem Schönen entspricht also auch meiner therapeutischen Spiritualität. Das Schöne, das ich bestaune, von dem ich mich ergreifen lasse, bringt mich in Berührung mit meiner eigenen Schönheit, mit der Schönheit auf dem Grund meiner Seele.
Aber das Schöne bringt noch einen anderen Zug in meine Spiritualität. Es ist eine empfangende Spiritualität und eine optimistische Spiritualität. Sie klingt nicht nach Arbeit wie etwa die asketische Spiritualität. Sie lässt sich vom Schönen überraschen. Allerdings verlangt auch diese Spiritualität unser Tun. Denn es braucht Achtsamkeit, um das Schöne wahrzunehmen. Und es bedarf unserer Ehrfurcht. Ohne Ehrfurcht verbirgt sich das Schöne vor unseren Blicken. Die Spiritualität der Schönheit ersetzt auch nicht die anderen Formen der Spiritualität. Aber sie ergänzt sie und gibt ihnen einen Geschmack von Freude und Liebe. Denn wie Thomas