1. KAPITEL
„Ich habe mir schon gedacht, dass du noch hier steckst.“
Rafferty Evans hob den Kopf vom Computerbildschirm zu seinem Vater, der in der Arbeitszimmertür stand. Der vierundsiebzigjährige Eli Evans hatte sich erst vor Kurzem nach langem Zögern endlich in den Ruhestand zurückgezogen, was jedoch bedeutete, dass er jetzt mehr Zeit hatte, seine Nase in die Angelegenheiten seines Sohnes zu stecken.
Rafferty ahnte schon, warum er gekommen war. „Irgendjemand muss vor dem Zusammentreiben der Herde ja schließlich die Buchhaltung machen“, sagte er irritiert.
Eli setzte sich in einen der ledernen Clubsessel. „Das schlechte Wetter scheint dir offenbar die Laune vermiest zu haben.“
So wie jeden November, dachte Rafferty. Einen Blitz draußen ignorierend, betrachtete er wieder die Zahlen vor ihm. „In den nächsten sechs Wochen ist noch eine Menge zu erledigen.“
Es donnerte ohrenbetäubend. Eli erhob seine Stimme. „Zum Beispiel, eine neue Köchin für die Rancharbeiter zu finden.“
„Die Männer haben die letzten drei Köche mit ihrem ewigen Genörgel vertrieben. Sollen sie doch für sich selbst sorgen, bis ich Ersatz gefunden habe.“
„Du weißt genau, dass sie nicht kochen können.“
„Dann sollten sie dankbar für jeden sein, der zumindest etwas von dem Handwerk versteht.“
Eli öffnete den Mund, um etwas darauf zu entgegnen, besann sich dann jedoch eines Besseren. „Was Weihnachten angeht …“, fuhr er fort.
Rafferty versteifte sich. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich mich aus den ganzen Festlichkeiten raushalte.“Zumindest seit dem Unfall.
Eli runzelte die Stirn. „Das Ganze ist jetzt schon zwei Jahre her.“
Rafferty schob seinen Stuhl zurück, stand auf und schob die Hände in die Jeanstaschen. „Ich weiß selbst, wie lange es her ist, Dad.“ Er ging zum Kamin, nahm den Schürhaken und stocherte in den brennenden Holzscheiten, dass die Funken stoben.
„Das Leben geht schließlich weiter“, fuhr Eli fort.
„Weihnachten ist nur etwas für Kinder.“
Eli schwieg.
Rafferty kniff die Lippen zusammen. Er legte ein Scheit nach, ging zum Fenster und sah hinaus in den Sturm. Regen trommelte auf das Dach, und ein weiterer Blitz durchzuckte den Himmel, gefolgt von lautem Donner. In der Dunkelheit tauchten plötzlich die Lichtkegel zweier Scheinwerfer auf und richteten sich auf das Hauptgatter.
Rafferty zog die Augenbrauen zusammen und warf einen Blick auf die Uhr. Schon Mitternacht. Er drehte sich zu seinem Vater um. „Erwartest du noch Besuch?“
Eli schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich nur Touristen, die sich verfahren haben.“
Rafferty murmelte ein paar Flüche vor sich hin.
Sein Vater stellte sich neben ihn. „Soll ich rausgehen und ihnen den Weg erklären?“
Rafferty schlug Eli kameradschaftlich auf die Schulter und versuchte zu ignorieren, wie zerbrechlich sie sich anfühlte. Nicht auszudenken, wenn er seinen Vater auch noch verlor! Hastig verdrängte er diesen beunruhigenden Gedanken. „Lass nur, ich übernehme das schon“, antwortete er. „Geh ruhig i