Bislang habe ich nur wenigen Personen meine Pläne anvertraut. Doch jetzt wird die Sache konkret und ich muss Klartext reden, zumindest mit meinem Reisebüro. »Ich will nach Maiduguri«, sage ich so unbefangen wie möglich.
»Wohin?«
»Nach Maiduguri in Nigeria«, wiederhole ich mit der schwachen Hoffnung, die schlechte Handyverbindung sei die Ursache der Nachfrage.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Sabine, die Inhaberin einer kleinen Agentur in München, ist allerhand von mir gewohnt. Sie bucht seit Jahren meine Flüge. Und die führen mich als Journalistin und Expertin für muslimischen Terror und Opfertraumatisierung regelmäßig in Krisenregionen, die niemand gerne freiwillig besucht. Meine häufigen Reisen nach Afghanistan, den Irak oder Afrika hat Sabine immer organisiert, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch mein heutiges Ansinnen stößt auf Widerspruch.
»Der Flughafen von Maiduguri wurde doch zerbombt«, klärt sie mich auf. »Da fliegt, soweit ich weiß, niemand mehr hin.«
»Oh.« Das habe ich nicht gewusst.
»Gibt es vielleicht Busverbindungen in den Norden?«
»Bist du wahnsinnig? Von Abuja aus sind es knapp tausend Kilometer. Außerdem …«
»Ja, du hast Recht«, unterbreche ich sie. Sabine braucht nicht weiterzureden: Es wäre viel zu gefährlich, mit dem Auto durch Nigeria zu fahren. Die A13, die Hauptverbindung in die nördlichen Städte des Bundesstaates Borno, ist auch die Straße, auf der die Terrorgruppe Boko Haram agiert. Sie führt direkt am berühmt-berüchtigten Sambisa-Wald vorbei. In diesem Sumpfgebiet werden seit dem Frühjahr 2014 die Schulmädchen gefangen gehalten, deren Entführung aus Chibok diese islamistische Terrormiliz weltweit in den Fokus rückte. Sogar Michelle Obama, die damalige First Lady derUSA, stellte sich an die Spitze der Bewegung »Bring Back Our Girls«, mit der die Eltern versuchen, ihre Kinder aus den Fängen der Terroristen zu befreien. Muss ich meine Reisepläne begraben?
»Lass mich noch mal nachsehen«, sagt Sabine. Ich höre ihre Tastatur klackern. »Hm, vielleicht hast du Glück: Die nigerianische Gesellschaft Medview fliegt Maiduguri wohl seit Kurzem wieder an. Allerdings ziemlich unregelmäßig. Du müsstest damit rechnen, dass der Flug kurzzeitig storniert oder verschoben wird, wenn sich die Sicherheitslage verschlechtert.«
»Okay, prima!«, höre ich mich sagen. »Kannst du die von hier aus buchen?«
»Ich kann es probieren.« Am anderen Ende klackert es erneut. »Es scheint zu funktionieren«, sagt Sabine, »willst du das buchen? Oder lieber erst einmal reservieren?«
»Nein«, antworte ich entschlossen. Ich habe lange genug gegrübelt. Bereits seit über einem Jahr überlege ich, in den Norden Nigerias zu reisen. Seitdem die Islamisten der Sekte Boko Haram im Norden des Landes ihr Unwesen treiben und insbesondere seit der Entführung der Chibok-Schulmädchen habe ich immer wieder darüber nachgedacht, die weiblichen Opfer der Terrorgruppe zu interviewen. Sicherheitsbedenken haben mich bislang davor zurückschrecken lassen. Als Ausländer und noch dazu als Frau mit weißer Hautfarbe ist das Risiko einer solchen Reise immens. Doch mittlerweile habe ich eine Begleitung gefunden, die sich vor Ort auskennt: Ich kann mit Renate Ellmenreich zusammen reisen. Die pensionierte evangeli