1. Kapitel
Die Rothaarige war zum Anbeißen. Wenn sie sich bückte, in ihrem engen, knielangen Rock, sah das unheimlich sexy aus. Wie gerade jetzt. Sie bemühte sich um Brookes Nachbarn zur Linken, einen blassen Spießer, und streckte Brooke dabei den knackigen kleinen Hintern in Höhe der Augen entgegen. In Höhe sämtlicher Sinnesorgane. Wenn sie noch einen halben Schritt zurückwich, würden sie einander auf erfreuliche Weise näherkommen. Aber vermutlich befand sich Brooke ohnehin schon im Dunstkreis ihrer Pheromone. Das konnte in Flugzeuggängen durchaus vorkommen, auch first class bei British Airways. Menschen mit Berührungsängsten sollten definitiv ein anderes Transportmittel wählen. Einen Fischkutter etwa, dann würde sich das Problem von allein erledigen.
Es wurde eng. Richtig eng.
Dann rauschte die Rothaarige wieder ab. Nun ja, der blasse Typ, ein vom Leben besonders Enttäuschter, dessen Brille mit Goldrand nicht einmal verrutscht war, hatte es bestimmt nötiger als sie. Ihr selber wären die knackigen Pobacken eines Kerls ohnehin lieber, seufzte Brooke und widmete sich wieder ihren Unterlagen.
***
»Liu Hannigan Li. Mutter Engländerin, alte Kolonialfamilie, Vater Hongkongchinese«, las sie. Das klang nach verstaubter britischer Empire-Romantik, nach träge rotierenden Deckenventilatoren in der schwülen, gingeschwängerten Luft abgedunkelter Räume, nach vorbeiknatternden schwarzen Taxis und weiß gekleideten Männern mit langen Zigarren. Brooke schloss die Augen und ließ das Blatt sinken.
»Haben Sie noch einen Wunsch, Miss Gardner?«
Das Lächeln der rothaarigen Stewardess war professionell, aber nicht ehrlich. Und so würde es wohl auch in den kommenden Wochen und Monaten sein, im Land des Lächelns. Auf beiden Seiten. Dabei hasste sie Heuchelei. Genau genommen Falschheit und Feigheit. Und dennoch. Sie hatte den Auftrag angenommen. Sie würde Liu Hannigan Li bespitzeln.
Nickend bedeutete sie der Stewardess, dass sie das Speisetablett abräumen könne. Immerhin first class. Es hätte schlimmer kommen können.
Wie jenseits der Trennwand etwa. Die graue Wand separierte Welten. Dahinter waren in Sardinendosenmanier neun Sitze in eine Reihe gepresst – ihr eigener Sitz dagegen, ausladend wie ein Fauteuil, war einer von lediglich vieren.
Im vollen Bewusstsein dieses räumlichen Luxus machte sie es sich gemütlich und warf einen erneuten Blick in die Unterlagen. Jane hatte ihr die wichtigsten Daten über Hongkong, den dortigen Ableger ihrer Bank, den Kontaktmann William Cohen sowie den Geschäftsführer zusammengestellt. Unregelmäßigkeiten bei der Wertpapierabwicklung waren ihr einziger Anhaltspunkt. In den wenigen Tagen vor ihrer hektischen Abreise – die Blumen unterzubringen, war kein Problem gewesen, aber ihrer launischen Katze wollte sich niemand annehmen – hatte sie keine Zeit gefunden, sich mit allen Einzelheiten des Falls vertraut zu machen. Hongkong. Allein der Name klang ver