Elses erstes Konzert
»Mutter, wir machen eine Aufführung, alle Schulkinder aus jeder Volksschule sollen mitsingen, im ganzen zweitausend! Und ich darf sogar beim Sologesang mitwirken!« Mit heißen Wangen stürmte die zwölfjährige Else in das kleine Dachstübchen, in dem die Nähmaschine von morgens bis abends rasselte.
Die Mutter hob das versorgte Gesicht von der Arbeit.
»Setz die Kartoffeln ans Feuer, Kind, und schau mal nach den Buben, die raufen sich heute den lieben langen Tag schon wieder drunten auf der Gasse. Ja, wenn die Vaterhand fehlt!« – sie nickte bekümmert vor sich hin.
Else, um deren frischen Mund es noch eben wie Enttäuschung gezuckt hatte, daß die Mutter an der die ganze Schule in Aufregung versetzenden Neuigkeit so wenig Anteil nahm, tat schnell und geschickt nach ihrem Geheiß. Sie wußte als Älteste, was für ein Sorgenpäcklein die Mutter jahrein, jahraus fast klaglos auf ihren zarten Schultern schleppte.
Es war nicht leicht, mit Mäntelnähen vier hungrige Mäulchen sattzumachen. Die Stiefel und Höschen der wilden Buben bedurften auch ständig der ausbessernden Hand. Ordentlich und sauber sollten ihre vier gehen, darauf hielt Frau Reinhardt, wenn sie auch nur eine arme Witwe war.
Da rasselte denn die fleißige Nähmaschine oft schon an dunklen Wintermorgen beim Zitterschein der kleinen Petroleumlampe, wenn die Kinder noch in festem, traumlosem Jugendschlaf lagen. Nur Else, Mutters rechte Hand, erhob sich dann manchmal schlaftrunken von ihrem Lager, schlich sich zum Herd und stellte ein Töpfchen Kaffee in die noch vom Abend gehaltene Kohlenglut, daß die arme Mutter doch einen Schluck Warmes bekam. Und wenn sie dann wieder im molligen Bett lag, dachte sie wohl, während ihre Gedanken schon mit dem eintönigen Geräusch der Nähmaschine ins Land der Träume hinüberirrten: »Ach, wäre ich doch erst groß und könnte auch was verdienen, daß sich mein Mutterchen nicht mehr so arg zu plagen brauchte!«
Wie sie es wohl möglich machen könnte, ebenfalls etwas zum Lebensunterhalt beizusteuern, nahm auch im Wachen Elses Gedanken oft in Anspruch. Denn sie war über ihre Jahre verständig.
Aber was sie der Mutter auch vorschlug, Gebäck-, Milch- oder Zeitungsaustragen, eine Laufmädchen- oder Kindermädelstelle für den Nachmittag, Mutter wollte davon nichts hören.
Nein, ihre Else, ihr hübsches, blondes Mädel, sollte nicht in den Jahren des Wachstums durch zu schwere Arbeit verkümmern. Lieber plagte sie sich selbst noch mehr. Ein Mädel von zwölf Jahren braucht ausreichend Schlaf, den wollte selbstlose Mutterliebe ihrem Kinde nicht verkürzen. Und eine Nachmittagsstelle – sicher würden die Schularbeiten darunter leiden! Sie war doch zu stolz darauf, daß ihre Else durch alle Klassen hindurch die Erste war, das begabte Mädel sollte es mal später im Leben bester haben als ihre Mutter!
So blieb es denn bei Elses Wunsch: »Ach, wäre ich doch erst groß!«
Aber sie versäumte mit Gedanken, die in die Zukunft schweiften, nicht die Gegenwart. Da regte sie vorläufig mal im Hause die fleißigen Hände. Jede Arbeit nahm sie der Mutter geschickt ab. Morgens, ehe sie in die Schule ging, hatte sie schon mehr getan als die meisten anderen Mädchen den ganzen Tag über. Sie bürstete Zeug und Stiefel, sie wusch die Kleinen und kleidete sie an. Und während sie lustig mit dem Besen den Staub aus den Ecken kehrte, lauschte sie auf das Summen des Kaffeewassers, das die kleine Köchin rief. Ja, oft summten ihre frischen Lippen selbst ein Lied mit dem Wasserkessel um die Wette.
Heute war sie ganz besonders zum Singen aufgelegt. Während sie die vielen Stiegen hinabsprang, schmetterte sie mit heller Stimme eins der Lieder, die sie in der Schule zu der bevorstehenden Aufführung einübten. Da ließ manch einer der Hausbewohner lauschend die Arbeit bei den jungen, glockenreinen Tönen sinken und schmunzelte: »Potztausend, Reinhardts Else – ja, so kann's keine!«
Else aber war indessen in den engen, winkligen Hof gesaust, wo die Kinder paarweise um einen Leierkastenmann nach den Kl