2. Kapitel. Backfischgesellschaft
Bei Irmgard von Buschen war Backfischgesellschaft. Zu Ehren ihres sechzehnten Geburtstages hatte sie ihre sämtlichen Freundinnen auf goldumränderten Karten eingeladen. Keine Nachmittagsschokolade mit Baisertorte – o nein, ein regelrechtes Lämmerhüpfen mit richtigen Herren!
Trotzdem Irmgard noch in die Schule ging, tat sie schon ganz so wie eine junge Dame. Sie war ein großes, schlankes Mädel mit kastanienbraunem Haar, braunen Rehaugen und pfirsichblütenem Teint. Das sah alles sehr hübsch aus, weniger hübsch aber war es, daß keiner mehr von Irmgards Schönheit überzeugt war als sie selbst. Der Zug unter dem feinen Näschen zu den Mundwinkeln hin verriet es deutlich: »Ich bin bildhübsch, ich gefalle jedem, selbst die Leute auf der Straße sehen sich nach mir um.«
Gegen ihre Freundinnen war Irmgard ziemlich hochfahrend und herrschsüchtig. Aber da sie schon fast ganz lange Kleider trug und die Haare bereits zum Nest am Hinterkopf gesteckt hatte, ordneten sich die andern ihr willig unter. Irmgard von Buschen war tonangebend in der Oberklasse.
Während der Unterrichtsstunden freilich nicht. Herrgott, da hatte sie wirklich an anderes zu denken als an schlesische Dichterschulen und unregelmäßige Verben!
Es hatte große Aufregung in der Oberklasse geherrscht, wen Irmgard wohl alles einladen würde. Manches Mädchenherz hatte heimlich bang geschlagen, denn wer mit Irmgard von Buschen verkehrte, gehörte zu den Vornehmen in der Klasse. Manche Empörung und manches Sichzurückgesetztfühlen hatten die goldumränderten Kärtchen ausgelöst, aber auch freudigen Stolz, ungeduldige Erwartung und wichtige Kleiderfragen.
Selbst Olly, die häßliche Olly Hildebrandt, die fast alle in der Klasse über die Achsel ansahen, und über die man sich heimlich allgemein lustig machte, war gebeten. Allerdings nur nach heftigem Kampfe mit Irmgards Mutter. Das Töchterchen wollte durchaus nur Senta und Rudi, wenn der auch eigentlich noch ein grüner Junge war, zu ihrem Geburtstag einladen. Aber das gab Frau Hauptmann von Buschen nicht zu. So konnte man Kommerzienrats nicht vor den Kopf stoßen.
»Ach die« – machte Irmgard und warf die Lippen auf, »die setzen Olly ja selbst am meisten zurück.« Aber sie drang diesmal nicht mit ihrem Willen durch.
So mußte auch Olly sich an dem bewußten Sonnabend in Gala werfen. Irmgard hatte ihr mit der Einladung gar keinen Gefallen getan. Nirgends fühlte sie sich unglücklicher, täppischer und von der Natur mehr vernachlässigt als unter lachenden, hübschen jungen Mädchen. Und nun noch gar mit richtigen Herren? Das, was Sentas Backfischherz mit hellem Jubel erfüllte, war ihr eine Quelle vorausempfundener Demütigungen. Keiner würde mit ihr tanzen – sicher nicht – ach Gott, sie konnte es ja auch niemandem verdenken!
Unter diesen Gedanken machte Olly Toilette. Inzwischen saß Senta vor dem Spiegel und ließ sich von Fräulein Arnold frisieren. »Süß« war Fräulein Arnold, so hatte sich noch keine Hausdame ihrer angenom