: Else Ury
: Kommerzienrats Olly Mädchenbuch-Klassiker
: e-artnow
: 9788026869344
: 1
: CHF 1.80
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 197
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Kommerzienrats Olly' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Kerzengerade stieg der schwarze Qualm aus den rußigen Fabrikschornsteinen in die sonnengoldene Herbstluft hinein. Rasseln und Rattern, Surren und Schnurren, Hämmern und Pochen, unausgesetzt sich erneuernd, dröhnte aus dem großen, roten Ziegelsteinbau der Hildebrandtschen Maschinenfabrik. Bis zu der zierlichen Rokokovilla, die ein ausgedehnter Garten von den Fabrikgebäuden trennte, klang dies ewige Lied der Arbeit. Zwischen den von blutrotem wilden Wein umkletterten Säulen der Veranda stand der Kaffeetisch. Blütenweißer Damast deckte ihn, silbernes Gerät blitzte im Herbstsonnenstrahl. Die Familie war noch nicht versammelt. Kommerzienrat Hildebrandt, ein noch immer schöner Mann trotz seiner siebenundvierzig Jahre, zwirbelte ungeduldig den blonden Schnurrbart...' Else Ury (1877-1943) war eine beliebte deutsche Schriftstellerin und Kinderbuchautorin. Urys Schaffen beschränkt sich auf Prosa: Kinder- und Jugendgeschichten und romane. Die Abenteuer, die Else Ury ihre Helden in ihren Erzählungen erleben lässt, haben häufig eine für den Leser sehr erheiternde Seite.

2. Kapitel. Backfischgesellschaft


Bei Irmgard von Buschen war Backfischgesellschaft. Zu Ehren ihres sechzehnten Geburtstages hatte sie ihre sämtlichen Freundinnen auf goldumränderten Karten eingeladen. Keine Nachmittagsschokolade mit Baisertorte – o nein, ein regelrechtes Lämmerhüpfen mit richtigen Herren!

Trotzdem Irmgard noch in die Schule ging, tat sie schon ganz so wie eine junge Dame. Sie war ein großes, schlankes Mädel mit kastanienbraunem Haar, braunen Rehaugen und pfirsichblütenem Teint. Das sah alles sehr hübsch aus, weniger hübsch aber war es, daß keiner mehr von Irmgards Schönheit überzeugt war als sie selbst. Der Zug unter dem feinen Näschen zu den Mundwinkeln hin verriet es deutlich: »Ich bin bildhübsch, ich gefalle jedem, selbst die Leute auf der Straße sehen sich nach mir um.«

Gegen ihre Freundinnen war Irmgard ziemlich hochfahrend und herrschsüchtig. Aber da sie schon fast ganz lange Kleider trug und die Haare bereits zum Nest am Hinterkopf gesteckt hatte, ordneten sich die andern ihr willig unter. Irmgard von Buschen war tonangebend in der Oberklasse.

Während der Unterrichtsstunden freilich nicht. Herrgott, da hatte sie wirklich an anderes zu denken als an schlesische Dichterschulen und unregelmäßige Verben!

Es hatte große Aufregung in der Oberklasse geherrscht, wen Irmgard wohl alles einladen würde. Manches Mädchenherz hatte heimlich bang geschlagen, denn wer mit Irmgard von Buschen verkehrte, gehörte zu den Vornehmen in der Klasse. Manche Empörung und manches Sichzurückgesetztfühlen hatten die goldumränderten Kärtchen ausgelöst, aber auch freudigen Stolz, ungeduldige Erwartung und wichtige Kleiderfragen.

Selbst Olly, die häßliche Olly Hildebrandt, die fast alle in der Klasse über die Achsel ansahen, und über die man sich heimlich allgemein lustig machte, war gebeten. Allerdings nur nach heftigem Kampfe mit Irmgards Mutter. Das Töchterchen wollte durchaus nur Senta und Rudi, wenn der auch eigentlich noch ein grüner Junge war, zu ihrem Geburtstag einladen. Aber das gab Frau Hauptmann von Buschen nicht zu. So konnte man Kommerzienrats nicht vor den Kopf stoßen.

»Ach die« – machte Irmgard und warf die Lippen auf, »die setzen Olly ja selbst am meisten zurück.« Aber sie drang diesmal nicht mit ihrem Willen durch.

So mußte auch Olly sich an dem bewußten Sonnabend in Gala werfen. Irmgard hatte ihr mit der Einladung gar keinen Gefallen getan. Nirgends fühlte sie sich unglücklicher, täppischer und von der Natur mehr vernachlässigt als unter lachenden, hübschen jungen Mädchen. Und nun noch gar mit richtigen Herren? Das, was Sentas Backfischherz mit hellem Jubel erfüllte, war ihr eine Quelle vorausempfundener Demütigungen. Keiner würde mit ihr tanzen – sicher nicht – ach Gott, sie konnte es ja auch niemandem verdenken!

Unter diesen Gedanken machte Olly Toilette. Inzwischen saß Senta vor dem Spiegel und ließ sich von Fräulein Arnold frisieren. »Süß« war Fräulein Arnold, so hatte sich noch keine Hausdame ihrer angenom