1. Kapitel
„Was meinen Sie damit, sie hat mir die Embryonen vermacht? Ich sollte doch den Kater bekommen.“ Pia O’Brian hielt kurz inne und legte sich die Hand auf die Brust. Der Schock, den ihr die Einzelheiten aus Crystals Testament verursachten, hätte selbst das stärkste Herz erschüttert, und Pia hatte sich noch nicht vom Verlust ihrer Freundin erholt.
Erleichtert stellte sie fest, dass es noch schlug, obwohl die Geschwindigkeit, mit der es pochte, ziemlich beunruhigend war.
„Ich bekomme den Kater“, wiederholte sie und sprach so deutlich wie möglich, damit die gut gekleidete Anwältin, die ihr gegenübersaß, sie auch verstand. „Er heißt Jake. Ich hab’s eigentlich nicht so mit Haustieren, aber wir haben unseren Frieden miteinander geschlossen. Ich glaube, er mag mich. Es ist schwer zu sagen – er bleibt eher für sich. Ich vermute, das tun die meisten Katzen.“
Pia überlegte, ob sie anbieten sollte, den Kater mitzubringen, damit die Anwältin sich selbst überzeugen konnte. Aber sie war nicht sicher, ob das helfen würde.
„Crystal hätte mir niemals ihre Babys hinterlassen“, fügte Pia flüsternd hinzu. Und das war die reine Wahrheit. Sie hatte keinerlei mütterliche Instinkte und hatte noch nie einen Gedanken darauf verschwendet, wie man Kinder großzog. Für sie war es schon ein großer Schritt gewesen, sich um den Kater zu kümmern.
„Ms. O’Brian“, sagte die Anwältin lächelnd, „Crystal hat in ihrem Testament sehr genaue Angaben gemacht. Im Verlauf ihrer Krankheit haben wir uns mehrere Male darüber unterhalten. Sie wollte, dass Sie die Embryonen bekommen. Nur Sie.“
„Aber ich …“ Pia schluckte.
Embryonen. Irgendwo in einem Labor lagen gefrorene Reagenzgläser oder irgendwelche anderen Behälter. Und darin befanden sich die potenziellen Babys, nach denen sich ihre Freundin so gesehnt hatte.
„Ich weiß, dass es ein Schock ist“, sagte die Anwältin. Sie war um die vierzig und wirkte in ihrem maßgeschneiderten Kostüm sehr elegant. „Crystal hatte überlegt, es Ihnen zu sagen, aber offensichtlich hat sie sich dagegen entschieden, vorher mit Ihnen darüber zu sprechen.“
„Vermutlich, weil sie wusste, dass ich versuchen würde, es ihr auszureden“, murmelte Pia.
„Im Augenblick müssen Sie erst einmal gar nichts tun. Die Lagergebühren sind für die nächsten drei Jahre bezahlt. Es müssen ein paar Papiere ausgefüllt werden, aber das können wir auch später noch erledigen.“
Pia nickte. „Danke“, sagte sie und stand auf. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie sich beeilen musste, um nicht zu spät zu ihrem Zehn-Uhr-dreißig-Termin ins Büro zu kommen.
„Crystal hat Sie mit Bedacht ausgewählt“, sagte die Anwältin bei der Verabschiedung.
Pia schenkte ihr noch ein gequältes Lächeln und ging zur Treppe. Sekunden später stand sie draußen und atmete tief durch, während sie überlegte, wann die Welt wohl aufhören würde, sich so schnell zu drehen.
Das kann alles nicht wahr sein, versuchte sie sich einzur