Norman Paech
Der 17. März 2011 dürfte für Syrien ein historisches Datum werden, ein tiefgreifender Einschnitt in die Geschichte der seit 1963 von der Baath-Partei und dem Assad-Clan beherrschten Republik. Was mit einer Demonstration für die Freilassung verhafteter Kinder in der südsyrischen Stadt Daraa wie die Fortsetzung des »arabischen Frühlings« begann, ist inzwischen in einen blutigen Krieg umgeschlagen. Der Ausgang ist ungewiss, selbst wenn sich das politische Ende von Präsident Baschar-al-Assad und der Einparteienherrschaft, das schon so gut wie besiegelt schien, nun doch weiter hinauszuzögern scheint.
Die Auseinandersetzungen haben schon lange den Rahmen eines innersyrischen Aufstandes gegen die Regierung in Damaskus gesprengt und die Grenzen zu den Nachbarländern überschritten. Die Flüchtlinge, die in dramatisch ansteigenden Zahlen das Land in Richtung Libanon, Jordanien, Türkei und Irak verlassen, haben eine Situation heraufbeschworen, die dem UN-Sicherheitsrat in vergleichbaren Fällen die Legitimation verschaffte, Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens gemäß Art. 42 UN-Charta zu ergreifen. 1981 war dies der Fall, als er den im Norden des Irak lebenden Kurden zu Hilfe kam und sie vor den Angriffen Saddam Husseins mit der Einrichtung eines »safe haven« schützte.33
Dieser Konflikt hat allerdings, anders als die ersten Aufstände in Tunesien und Ägypten, schon frühzeitig die Einmischung fremder Staaten erfahren. Vor allem die USA, Türkei, Katar und Saudi-Arabien, und auch Israel haben sich mit finanzieller und logistischer Hilfe sowie politischen und wirtschaftlichen Sanktionen, aber auch mit Waffenlieferungen und der Einschleusung von Söldnern unterschiedlicher Herkunft eindeutig auf die Seite der Aufständischen geschlagen und damit die weitere Internationalisierung des Konfliktes betrieben. Insbesondere haben die beiden größten Organisationen, der Islamische Staat (IS) und die al-Nusra-Front, ihre militärischen Erfolge, abgesehen von ihrer brutalen Kriegsführung, vor allem der geheimen Unterstützung durch die genannten Staaten zu verdanken.34 Obwohl sie von der UNO als Terrororganisationen eingestuft werden, hält die Unterstützung bis Redaktionsschluss dieses Buches im Frühsommer 2016 an,35 um sie für den immer noch nicht aufgegebenen Regimewechsel in Damaskus zu benutzen. Inzwischen ist darüber hinaus weitgehend geklärt und vielfach belegt, dass die Interventionen in Syrien zur Destabilisierung der Regierung schon lange vor den Demonstrationen im Frühjahr 2011 begonnen hatten. Wie Robert F. Kennedy Jr. jüngst mit Hinweis auf den sogenannten Bruce-Lovett-Report von 1957 erklärte, blickt »Amerika (…) auf eine unappetitliche Tradition an gewaltsamen Interventionen in Syrien zurück.«36 Die CIA begann bereits ein Jahr nach ihrer Gründung, 1949, mit der aktiven Einmischung in Syrien und betrieb außerdem Umsturzpläne in Jordanien, Iran, Irak und Ägypten. In den umfangreichen Monographien vom Tim Weiner37, John Prados38 und dem Artikel von Mathew Jones39 ist nachzulesen, wie die USA mit allen erdenklichen Mitteln, die weder vor Bestechung, Verrat, Kriegsdrohung, Waffenlieferungen, Gewalt noch Mord und Attentaten zum Schüren von Unruhe und Aufstand zurückschrecken, den Umsturz in Syrien versuchten. Einen vergleichbaren Erfolg wie den Sturz Mossadeghs im Iran konnte die CIA in Syrien nicht vorweisen, dennoch war dies eine blutige Geschichte, die nicht nur den hehren Zielen der offiziellen Politikpropaganda von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten, sondern auch dem völkerrechtlichen absoluten Interventionsverbot des Art. 2 Ziff. 7 UN-Charta widersprach.
So begann der aktuelle Konflikt auch nicht erst im Jahr 2011, sondern schon viele Jahre zuvor. Ein Bericht von Mitarbeitern des US-Kongresses datiert den Beginn der Umsturzpläne in das Jahr 2003, unmittelbar nach dem Irak-Krieg, als die US-Administration die Regierung in Damaskus als zu links einschätzte.40 Kennedy sieht hingegen schon in dem Vorschlag Katars im Jahr 2000, eine 1.500 km lange Pipeline durch Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und die Türkei zu bauen, die ersten Anzeichen des Krieges gegen Baschar al-Assad. Katar, das Standort zweier großer amerikanischer Militärbasen und des Hauptquartiers der US-Streitkräfte für den Mittleren Osten ist, wollte das Embargo gegen Teheran nutzen, da der Iran die gigantischen Naturgasvorkommen des gemeinsamen South Pars/North Dome-Gasfeldes wegen des Embargos selbst nicht exportieren konnte. Auch Russland