Das Strafrecht war ursprünglich kein öffentliches Recht. Jede Sippe übte die Strafgerichtsbarkeit über ihre eigenen Mitglieder aus, der Hausherr und Familienvater übte die Strafgewalt über Ehefrau und Kinder aus, der Herr über seine Unfreien, der Schutzherr über seine Schutzbefohlenen. Delikte, die sich gegen einen Einzelnen richteten, waren Privatangelegenheit der Beteiligten, die Fehde das Mittel zur Durchsetzung ihrer Rechte. Kein König, Herzog oder Graf mischte sich da als Richter ein.
Jeder Täter hatte Anspruch darauf, seine Schuld durch Sühnegeld, das»Wergeld« (wer, lat. vir, bedeutet Mann), an die beleidigte Sippe zu büßen, das heißt abzulösen. Das Geld konnte gerichtlich eingeklagt oder durch feierlichen Sühnevertrag, die Urfehde, außergerichtlich festgelegt werden. Eigene Bußkataloge bestimmten die Höhe. Nur wer ungehorsam war oder gar seine Tat verheimlichte, ein»Neidingswerk« beging, oder aber flüchtig oder»landschädlich« war, beziehungsweise wer Verbrechen gegen die Allgemeinheit verübte, durchschnitt damit das Sippenband und wurde geächtet. Niemand durfte einen solchen Verbrecher aufnehmen,»hausen und hofen«, jeder durfte ihn, den»Wer«wolf,