2. KAPITEL
»Ich fühle mich schon viel besser«, sagte Molly, als Sam sie mit seinen großen, kräftigen Händen vom Pferd hob. »Ich denke wirklich, daß ich nach Hause gehen sollte.«
»Tut mir leid, Miss James. Sie haben diesen kleinen Krieg angezettelt, und ich werde ihn jetzt zu Ende bringen. Ich möchte, daß der Doktor einen Blick auf Sie wirft, und in der Zwischenzeit können wir uns unterhalten.«
Molly überhörte den Sarkasmus, der in Sams tiefer Stimme mitschwang, und begleitete ihn auf die weitläufige Veranda an der Vorderseite des Hauses. Das Haupthaus der Ranch war ein beeindruckendes, zweistöckiges Gebäude, das Sams Vater, Shamus Brannigan, vor vielen Jahren aus Holz errichtet hatte. Im oberen Stockwerk waren die Schlafzimmer untergebracht, von denen aus man einen herrlichen Ausblick auf den Hof hatte, während das Erdgeschoß mit seinen großen Fenstern vom Sonnenlicht durchflutet war.
Sam riß die schwere Holztür auf, und Molly trat geschwind in den großzügigen Wohnraum. Das hier war ganz offensichtlich das Haus eines Mannes, mit rustikalen Holzwänden und dicken Balken, die unter der Decke verliefen. Die Flure waren mit Stein ausgelegt, und eine breite Treppe verband die beiden Stockwerke. In diesem Haus roch es sogar nach Mann – ein rauchiger Pinienduft erfüllte die Luft. Als sie zusammen zur Ranch geritten waren, war ihr aufgefallen, daß Sam genauso roch.
Molly ließ sich von Sam durch den Raum führen. Ihr Kinn schmerzte nicht mehr, aber die Beule an ihrem Hinterkopf pulsierte immer noch heftig. Obwohl sie insgeheim das Durcheinander genoß, das ihre Schießerei hervorgerufen hatte, fragte sie sich langsam, ob ihr Unterfangen klug gewesen war. Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, daß Sam ein so vernünftiger Mann sein könnte. Er paßte überhaupt nicht in das Bild, das ihr Vater von den Brannigans gezeichnet hatte.
Sam brachte sie zu einer großen Ledercouch, die vor einem breiten Steinkamin stand. Nachdem sie sich gesetzt hatte, fiel ihr auf, daß der weitläufige Raum ihr eine gewisse Ehrfurcht einjagte. Aber andererseits hatte alles, was den Brannigans gehörte oder was sie taten, ihr in den vergangenen Jahren Ehrfurcht eingejagt – oder sie wütend gemacht.
Sam forderte sie auf, sich hinzulegen, zog ihr fachmännisch die Stiefel aus und deckte sie dann mit einer Navajo-Decke zu, die über die Sofalehne drapiert gewesen war.
»Lee Chin!« rief Sam Brannigan, und nur ein paar Sekunden später betrat ein Chinese mit einem langen, geflochtenen Zopf und laut klappernden Holzschuhen das Wohnzimmer.
»Ja, Mr. Sam?«
»Unser Gast, Miss James, hatte unglücklicherweise einen Unfall. Schicken Sie jemanden zu Doc Weston. In der Zwischenzeit wollen wir uns mit einem feuchten Tuch weiterhelfen.«
»Ja, Sir, Mr. Sam. Auf der Stelle.« Der Chinese verbeugte sich knapp und schlurfte aus dem Zimmer, kehrte aber schon kurz darauf mit dem feuchten Tuch zurück.
»Miss James und ich müssen uns über ein paar Dinge unterhalten, Lee. Wenn wir fertig sind, können Sie hier übernehmen.«
Lee Chin verneigte sich und verließ das Zimmer. Molly mußte lächeln, denn sie mochte den Mann auf der Stelle. Auf seinem Gesicht war ein beinah väterlicher Ausdruck aufgetaucht, als er den blauen Fleck gesehen hatte, der ihr Kinn zierte.
Sam half Molly dabei, ihre üppige Haarpracht hochzuheben, und legte das feuchte Tuch auf die Beule an ihrem Hinterkopf. Obwohl Sam groß und stark war, fürchtete Molly sich nicht vor ihm. Sein aufmerksames Verhalten verriet die Besorgnis, die er empfand. Sie wußte, daß die Schi