KAPITEL 1 Ärzte, die auf Ziegen starren
Sie hätten als Mediziner Halbgötter in Weiß werden, sich als Radiologen eine goldene Nase (und einen roten Ferrari) verdienen oder als Herzchirurgen die Bewunderung des kompletten Golfclubs sichern können.
Stattdessen drücken sie lieber Analdrüsen von Hunden aus, kastrieren fette Kater und rasen in Gummistiefeln des Nachts in abgelegene Kuhställe, um Kälbergeburtshelfer zu spielen.
Was sind das nur für Menschen, diese Veterinäre? Einfach nur Tierliebhaber? Oder etwa auch Menschenhasser? Falls Letzteres zutrifft, haben sie leider eine Sache vergessen: Kein tierischer Patient ohne Herrchen oder Frauchen …
SCHWEIN GEHABT
Es war schon spät und meine Kollegen und ich tätigten gerade die letzten Handgriff e vor dem ersehnten Feierabend, als noch ein unangemeldeter Patient zu uns in die Kleintierpraxis kam. Das Erste, was ich von dem späten Besuch wahrnahm, war das entzückte Quietschen einer unserer Auszubildenden, die sich vor Begeisterung gar nicht mehr einzukriegen schien. Darauf folgte eine seltsame Mischung aus Grunzen und Quieken, das mich abrupt in meine Volontariatszeit zurückversetzte, als ich, das Studium der Veterinärmedizin gerade abgeschlossen, zur Feuerprobe auf einem Bauernhof junge Eber kastriert hatte. Neugierig steckte ich also meinen Kopf durch die Tür meines Behandlungszimmers, um zu schauen, wen die Empfangsdame gerade abzuwimmeln versuchte, und sah mich in meiner Vermutung bestätigt: ein Schwein. Ich schätzte es auf circa sechzig bis siebzig Kilo, kräftig und wild mit dem Ringelschwänzchen schlagend. Hilflos sah unsere Empfangskraft zu mir herüber und winkte zögerlich. Die Besitzer des sogenannten Minischweins entdeckten mich sofort.
Schlamper? Was für ein Name für ein Schwein.
»Frau Doktor, bitte. Es ist ein Notfall«, erklärte der junge Mann mit Glatze und Maßanzug.
»Mit Schlamper stimmt etwas nicht«, mischte sich seine blonde Begleitung ein und hielt schnurstracks auf mich zu. Schlamper?
Was für ein Name für ein Schwein. Nach einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr verabschiedete ich mich von meiner abendlichen Kinoplanung und bat die Herrschaften samt Schweinchen zu mir ins Zimmer. Das possierliche Tierchen trabte zufrieden grunzend neben ihnen her und sah sich neugierig um. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Schweine mit Leine. Ungewöhnlich, aber nicht unmöglich.
Meine Auszubildende Maja, die sonst immer die Erste war, die den Laden verließ, hatte nur noch Augen für den seltenen Anblick und erklärte sich freudig bereit, mir zu assistieren.
»Wie kann ich helfen?«, wollte ich wissen und hockte mich vor den kleinen Eber, um mich mit ihm vertraut zu machen. Und da ich ihn ohnehin nicht auf den Untersuchungstisch bekommen würde …
So weit wirkte er quicklebendig und zufrieden. Ich tätschelte ihm den Kopf und er gab mir tatsächlich eine seiner Klauen zur Begrüßung. Ich lachte.
»Das ist ja mal putzig«, sagte ich zu den spürbar stolzen Besitzern.
»Er ist ein wahrer Charmeur«, erklärte sein Frauchen und holte dann tief Luft, um auszuführen, was der Grund ih