: Christiane Hagn
: Machts gut, ihr Trottel! Ich zieh dann mal ins Paradies
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783944296326
: 1
: CHF 6.90
:
: Partnerschaft, Sexualität
: German
: 320
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die lebenslustige Christiane nach Australien und Indonesien reist, hat sie nur ein Ziel vor Augen: Nichts wie weg, um endlich den Liebeskummer zu überwinden, der sie hartnäckig plagt. Auf einer kleinen Insel Sumatras beginnt sie einen romantischen Urlaubsflirt - mit weitreichenden Konsequenzen. Christiane verliebt sich Hals über Kopf in den jungen Fischer David und trifft schließlich eine mutige Entscheidung: Sie gibt ihren sicheren Job auf, lässt Eltern und Freunde zurück, um sich in Indonesien zusammen mit David ein neues Leben aufzubauen. In einem abenteuerlichen Selbstversuch wagt Christiane den Sprung ins Paradies und macht sich dort auf die Suche nach dem Glück, der großen Liebe und vor allem nach sich selbst.

Christiane Hagn wurde 1980 im wunderschönen Ingolstadt geboren. Nach dem Abitur studierte sie Philosophie und Germanistik in Regensburg - ein sinnloses Unterfangen, das sie nach zwei Monaten wieder beendete, um stattdessen in Ecuador Bäume zu pflanzen. Nicht nur mangels eines grünen Daumens kehrte sie zurück und studierte Theater- und Medienwissenschaften, Psychologie und Spanisch in Erlangen. Anschließend arbeitete sie jahrelang im TV-Bereich in Berlin. Heute ist sie als Autorin für Belletristik, Sachbücher und Drehbücher tätig.

Ich erwachte mit einem schlimmen Kopfschmerz. Immerhin ein Schmerz und damit ein Gefühl. Das war gut. Um noch mehr zu spüren, zwang ich mich, nun endlich meine Weiße-Hai-Phobie zuüberwinden, und sprang bei strömendem Regen in die Fluten. Ich schwamm meine Kopfschmerzen einfach weg. Trotz Todesangst teilte ich mir das Wasser mit bunten Fischen, die ich namentlich aufgrund meines Halbwissens nicht benennen konnte. Nur den Clownfisch erkannte ich dankFindet Nemo. Dieser Ausblick war allemal besser als im Stadtbad Mitte, in dem ich die Wochen vor meiner Abreise schweren Herzens meine Bahnen gezogen hatte. Nicht ohne dabei an ihn zu denken. An wen eigentlich?

Ihn hatte ich schon vergessen. Er fiel in die Kategorie»belanglos«. Und dieser Gedanke zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Denn das war eine wirklich gute Erkenntnis. Mein Glück war nicht von ihm oder sonst jemandem abhängig. Ich hatte es selbst vermasselt. Und das wiederum war gar nicht schlecht, denn wenn ich es selbst vermasselt hatte, könnte ich es auch selbst wieder richten.

Als ich aus dem Wasser stieg, nicht ohne mir an den spitzen Felsen eine blutende Wunde am Zeh zuzuziehen, beschloss ich, dass endlich Schluss sei mit der Opferhaltung. (Und dass es Zeit für Badeschuhe war.) Ich wollte kein Opfer mehr sein. Kein Opfer des gebrochenen Herzens oder der gemeinen anonym bleiben wollenden Berliner Subkultur-Männer. Wenn ich von nun an leiden sollte, dann weil ich es so beschlossen hatte. Aktives Leiden statt passivem Verkümmern. Dieser Gedanke gefiel mir. Und mit etwas Geschick könnte ich aus dieser neuen Einstellung vielleicht nicht nur kein Leid gewinnen, sondern möglicherweise sogar Glück.

Das war vielleicht ein wenig zu dreist für den Anfang. Ich wollte meine Ziele nicht gar so hoch stecken, damit meine Chance, diese auch zu erreichen, größer blieb. Spontan entschied ich mich für das Ziel»Unbeschwertheit erlangen«.

Also ignorierte ich den blutenden Zeh und setzte mich ganz unbeschwert an den Strand. Da saß ich nun und starrte auf den Horizont, auf die immense Weite des Meeres. Es sah aus, als würde die Welt dahinter einfach aufhören oder in eine neunzig Grad tiefe Schluchtübergehen. Der Anblick war faszinierend. Trotzdem, nach zwei Minuten des Starrens wurde mir das dann auch schon wieder zu langweilig. Also stand ich auf, griff mein Handtuch und ging los in Richtung Honeymoon-Hütte.

In dem Moment, als ich den ersten Schritt tat, ertönte ein unglaublich lauter Knall. Direkt hinter mir. Zu Tode erschrocken drehte ich mich um und starrte auf eine aufgeplatzte Kokosnuss, die genau dort lag, wo ich vor einer Sekunde noch gesessen hatte. Es war kaum zu fassen. Aber es schien, als hätte meine Unfähigkeit, länger als zwei Minuten still zu sitzen und unbeschwert zu tun, gerade mein Leben gerettet. Ob das ein Zeichen war? Von– im wahrsten Sinne– ganz oben? Was wollte»er« oder»sie« oder»es« mir damit sagen? Vielleicht:»Unbeschwertheit istüberbewertet bis lebensgefährlich«? Oder eher:»Egal was du tust, es liegt eh in meiner Hand,über dein Leben zu entscheiden.«

Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende spinnen, da plötzlich ein aufgebrachter junger Mann vor mir stand, der geschockter zu sein schien als ich selbst.

»Bist du in Ordnung?«, fragte er mich in perfektem Englisch, das ich spontan keiner Nationalität zuordnen konnte. Dabei sah er ein bisschen blass aus, was irgendwie lustig wirkte: dieser blutleere Kopf auf dem sonnengebräunten Körper. Dann entdeckte er meinen blutenden Zeh und beugte sich sofort nach unten, um das Unglück zu begutachten. Er entschuldigte sich tausendmal und bat mich, an Ort und Stelle Platz zu nehmen. Ich antwortete ihm, dass ich nicht, beziehungsweise nicht mehr, lebensmüde wäre und daher einenüberdachten Sitzplatz vorziehen würde. Dann humpelte ich in Richtung Restaurant davon, mehr um Mitleid zu erzeugen als wegen der Schmerzen. Der junge Mann eilte mir hinterher, nahm mich kurzerhand auf seine Arme und trug mich zu einem Stuhl. Ich protestierte zwar gegen diesen abrupten körperlichenÜbergriff, aber zugegebenermaßen nicht sonderlich vehement. Seine warme Haut fühlte sich unverschämt gut an.

Kaum hatte er mich abgesetzt, verschwand er wieder. Ich starrte auf die Palme, die eben versucht hatte, mich umzubringen, und erinnerte mich, dass die Wahrscheinlichkeit, von einer herabfallenden Kokosnuss getötet zu werden, viel größer war als die, durch einen Haiangriff zu sterben. Um genau zu sein, beträgt die Wahrscheinlichkeit, von einem Hai angegriffen zu werden, nur eins zu zehn Millionen. Und von weltweit 76 Haiangriffen jährlich endeten nur fünf tatsächlich tödlich. Dagegen wurden jedes Jahr etwa 150 Menschen an Stränden von Kokosnüssen erschlagen.

Dennoch: Die Furcht vor Haienüberwiegt. Schließlich gibt es auch fünf Teile vonDer weiße Hai und zwei TeileOpen Water, doch keinen Film namensDie Killernuss oderDer Tod lauert unter der Palme. Selbst Menschen, die in der»Gefahrenzone Strand« lebten, schätzten die tödliche Bedrohung offensichtlich falsch ein. So zum Beispiel auch die Fischer von Sumatra: Diese würden, wie ich von einem dieser aufdringlichen Pärchen, die sich nach nur wenigen Tagen Zweisamkeit im Paradies gegenseitig zu Tode langweilen, beim Abendessen ungefragt erfuhr, niemals ohne Socken zum Nachtfischen hinausfahren. Das taten sie aus folgendem Grund: Falls sich der Anker verhaken und sie in das schwarze Wasser springen müssten, um ihn zu lösen, würden sie sich ihre vorab mitgebrachten Socken anziehen. Reine Vorsicht