2. Kapitel
Gedankenverloren kam der Fischer zu seiner ärmlichen Hütte zurück. Das Dach war aus Blech, die Fenster waren trübe. Er warf den leeren Eimer auf einen Stapel verknüllter Netze und betrachtete resigniert das Elend. Seufzend öffnete er die hölzerne Eingangstür, auf der der blaue Lack so blättrig war wie das Schuppenkleid eines Fisches. Die Tür antwortete knarrend, als er eintrat. Er stellte die Angel in die kleine Diele, platzierte die brüchigen Gummistiefel daneben und warf die fleckige Jacke über den rostigen Hacken an der Wand.
»Bin wieder da«, brummte er in die dunkle Stube und machte sich auf ein bevorstehendes Gezeter gefasst. »Ich sag’s vorweg, der Tag war mau, keine Sprotte hat angebissen.« Er hatte noch nicht die Träger seiner Hose abgestreift, da klang eine warme, bekannte Stimme an sein Ohr.
»Das ist doch nicht schlimm, mein Fischerschwänzchen. Komm einfach nur herein zu mir. Ich warte schon voller Sehnsucht.«
Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen, und während die schmutzige Arbeitshose auf seine durchlöcherten Socken fiel, spähte er mit aufgerissenen Augen in die schummrige Stube.
Aber was war hier geschehen? Anstelle des wurmstichigen Tischs mit der löchrigen Wachstuchdecke stand dort eine rustikale Kiefernplatte auf gedrechselten Beinen. Ein dreiarmiger Leuchter warf goldenes Licht auf zwei perfekt arrangierte Gedecke. In Kristallkelchen schimmerte samtroter Wein, und aus einer silbernen Terrine lockte ein unwiderstehlicher Duft. Gleich neben der Tafel stand jetzt ein samtüberzogenes Kanapee im geschwungenen italienischen Stil, auf dem sich in rosa Spitzenwäsche das füllige Friesenmädel rekelte. Ihr flachsblondes Haar schimmerte wie Gold und schmiegte sich hinter dem Nacken über die elfenbeinfarbene Schulter bis zur rosa Halbschale aus feinem Tüll, die eine runde, feste Brust grade so verbarg, dass die Fantasie den größten Spielraum bekam.
»Ludmilla!«, entfuhr es dem offenen Mund des Fischers. »Ludmilla, bist du es wirklich?«
»Na, wer denn sonst, mein alter Hecht«, zwitscherte es vom Sofa. »Nun starr mich nicht an wie ein Karpfen im Waschbecken, sondern gib mal Butter bei die Fische ...«
War sie es wirklich? Der Fischer kniff sich schnell ins Bein, um seinen Geisteszustand am Schmerz zu messen.
»Aber ...«, stammelte er und stand mit nackten Beinen im dunklen Flur. »Ich bin ...« Er wusste nicht, was er sagen sollte, dafür sprach sein Schwanz, der sich mächtig in der Feinrippunterhose mit Eingriff bemerkbar machte.
»Mach hinne, Schiedbüddel, ich kann es kaum erwarten«, schnurrte es vom Sofa. »Aber geh erst mal ins Bad, ordentlich duschen.«
Erst jetzt wurde ihm klar, wie zerlumpt er aussah. Und dann noch dieser miese Schießer-Schlüpfer. Mit den Händen versuchte der alte Knabe die Peinlichkeit ein wenig zu verbergen und huschte flugs ins Bad. Schon wieder blieb ihm fast das Herz stehen. Die erbärmliche Nasszelle hatte sich in ein schmuckes Badezimmer verwandelt, neben der modern designten, frei hängenden Toilette gab es ein Bidet, auf einem Doppelwaschbecken glänzten vergoldete Armaturen, und über einer großen Wanne auf geschwungenen Füßen warf ein riesiger Spiegel dem Fischer sein verstörtes Bild zurück. Neben einer finnischen Sauna – der Fischer konnte es nicht fassen – hing an der gläsernen Duschtür ein schwarzer Kimono, auf dem ein goldener Drache mit langer Zunge fauchte.
Der Fischer schüttelte den Kopf. Nicht lange fackeln, dachte er, sonst platzt die Blase, und es ist doch alles nur ein Traum. Flugs griff er Rasierz