1. KAPITEL
„Mom, auch wenn ich weiß, dass es keinen Weihnachtsmann gibt, kann ich trotzdem einen Weihnachtsstrumpf kriegen?“
Bailey Voss lächelte ihre Tochter an. Alleinerziehend zu sein war oft eine Herausforderung, aber manchmal dachte sie, dass sie es doch ganz gut hinbekam.
„Natürlich“, erklärte sie der Siebenjährigen. „An Weihnachten geht es um die Menschen, die wir lieben, und darum, unsere Traditionen miteinander zu teilen. Ein Weihnachtsstrumpf gehört definitiv dazu.“
Chloe strahlte. „Wann können wir die Strümpfe aufhängen? Und das Haus dekorieren?“ Ihr kluges, bezauberndes Mädchen hielt inne. „Nachdem wir umgezogen sind, oder? Können wir unseren Weihnachtsbaum gleich am ersten Abend aufstellen?“
„Das können wir“, versprach Bailey ihr. Obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass sie nach einem langen Umzugstag müde sein würde, war sie entschlossen, ihrem kleinen Mädchen dieses Jahr das beste Weihnachtsfest aller Zeiten zu bereiten.
Chloe hatte bereits so viel durchgemacht, vor allem nach dem Verlust ihres Vaters vor über einem Jahr. Bailey und ihre Tochter hatten sich in Fool’s Gold ein Zuhause erschaffen und würden in nicht einmal einem Monat in das Haus ziehen, das, wie Bailey hoffte, für immer ihr Zuhause sein würde. Bailey hatte einen tollen Job, den sie liebte, Chloe hatte Freunde und war gut in der Schule, und eine schöne Vorweihnachtszeit war genau das Richtige, um das Jahresende zu feiern.
Chloe ging zu dem Kalender, der am Kühlschrank hing, und zählte die Tage ab.
„Noch siebzehn Tage bis Thanksgiving“, brachte sie aufgeregt hervor. „Und dann noch zwölf Tage, bis wir umziehen und unseren Baum und die Strümpfe bekommen.“ Sie eilte zu ihrer Mutter und umarmte sie. „Es ist schon beinahe Weihnachten!“
Bailey hielt sie fest und streichelte ihr übers Haar. „Ich bin so stolz auf dich, Honey“, meinte sie und versuchte, nicht zu emotional zu klingen. „Du arbeitest so hart in der Schule und bist mir eine echt große Hilfe.“
Ihre Tochter sah sie an. „Ich liebe dich, Mom.“
„Ich liebe dich auch, meine Kleine.“ Sie schaute auf die Uhr über dem Herd und stieß einen kleinen Schrei aus. „Wir sind viel zu spät!“
Chloe lachte und löste sich aus ihrer Umarmung, dann rannte sie aus der Küche. „Ich bin fertig. Ich brauche nur noch meinen Mantel.“
Fünf Minuten später liefen die beiden strammen Schrittes auf Chloes Schule zu. Nachdem Bailey ihre Tochter abgesetzt hatte, ging sie weiter in Richtung Rathaus, wo sie als Assistentin von Bürgermeisterin Marsha Tilson arbeitete.
Bürgermeisterin Marsha war die am längsten regierende Bürgermeisterin in Kalifornien und leitete ihre Stadt mit einer beeindruckenden Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Bailey war überzeugt davon, dass Bürgermeisterin Marsha den Teufel selbst dazu bringen könnte, ihr zu Diensten zu sein. Und heute war keine Ausnahme.
Nur würde heute nicht der Teufel durch die Tür in Bürgermeisterin Marshas Büro kommen, sondern ein großer, breitschultriger Mann, der Baileys Herz auf eine Weise klopfen ließ, die nicht gesund sein konnte.
„Es ist nur eine kleine Schwärmerei“, versuchte Bailey sich zu beruhigen, während sie in der Schlange im Brew-haha auf ihren morgendlichen Latte macchiato wartete. Dann erkannte sie, dass inmitten von Menschen Selbstgespräche zu führen ein sicherer Weg war, dafür zu sorgen, dass Nachbarn und Freunde sich Sorgen um einen machten. Sie presste die Lippen aufeinander, bevor sie spürte, wie sie zu lächeln begann. Wann immer sie an Kenny Scott dachte, fühlte sie sich wie ein sechzehnjähriger Teenager.
<