Vorwort
Ich bin Mutter, diplomierte Krankenschwester und Ehefrau. Ich halte Vorträge. Ich bin eine Tochter, die ihre Mutter verloren hat, und eine trauernde Freundin. Ich bin ein Mensch, der nicht viel anders ist als die Menschen, die diese Zeilen lesen. Ein Mensch, der versucht, das Beste aus dem zu machen, was er hat.
In meinem Fall ist das ein tiefes Mitempfinden mit allen, die einen Menschen verloren haben. Ich kann sehr gut nachvollziehen, welche emotionalen Auswirkungen der Tod eines Menschen auf uns haben kann. Es ist mein tief empfundener Wunsch, den unausgesprochenen Emotionen Ausdruck zu verleihen, die jene quälen können, die auf tragische Weise eine nahestehende Person durch Selbstmord verloren haben.
Über mein Diplom und meine Collegeausbildung hinaus bin ich außerdem eine spirituell Suchende und Lehrende. Ich weiß, dass wir mehr sind als nur eine Anhäufung von Atomen und Molekülen. Wir sind fließende Energie, Licht, das sich frei ausdrückt. Da Energie nicht zerstört, sondern nur umgewandelt werden kann, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass beim körperlichen Tod die Energie, die im Körper gebunden ist, einfach nur umgewandelt wird. Sie geht nicht verloren.
Menschen, die sich das Leben genommen haben, haben einen Geist, Energie, die sich immer noch irgendwo in irgendeiner Form ausdrückt. Und auch wenn ich diese Energie spüren kann, wie ein Weinverkoster all die subtilen Geschmacksnoten eines edlen Weins schmecken kann, so schreibe ich dieses Buch doch in dem Wunsch, damit die Lebenden zu erreichen, oder richtiger, all jene, die mit dem Schmerz und dem nicht enden wollenden Kummer nach einem Selbstmord weiterleben, hadern und kämpfen.
Ich glaube nicht, dass Selbstmord ein unvermeidliches, ein über einen Menschen quasi verhängtes Schicksal ist. Noch glaube ich, dass wir nichts tun können, wenn ein Mensch Selbstmordabsichten äußert. Ich bin vielmehr der Auffassung, dass wir unser Schicksal selbst bestimmen und seinen Lauf ändern können. Selbst wenn wir einen Menschen durch Selbstmord verloren haben, oder vielleicht gerade dann, können wir, wenn wir es wirklich wollen und dafür offen sind, wieder zu einer positiven Haltung dem Leben gegenüber finden, unser verwundetes Herz auf liebevolle Weise heilen und Frieden erfahren.
Selbstmord ist ein Akt der Gewalt, der auch die Hinterbliebenen trifft. Wir schieben die Beschäftigung mit dem Thema Tod gern beiseite, weil es uns Unbehagen bereitet. Über einen Selbstmord zu sprechen ist mehr oder weniger tabu. Doch was die Hinterbliebenen im Falle eines Selbstmords brauchen, ist unsere Akzeptanz, unsere Bereitschaft zuzuhören und unser Verständnis. Nur so können wir ein Klima schaffen, in dem sich Selbstmorde künftig wirksam verhindern lassen.
Selbstmord ist zu einer verschwiegenen Seuche geworden, zu einem Schandfleck für unsere Gesellschaft. In Deutschland nehmen sich Jahr für Jahr 10 000 Menschen das Leben. Das heißt, es sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Diese Zahl ist hoch – viel zu hoch. Irgendetwas stimmt hier nicht. Trotz aller Lippenbekenntnisse zu mehr Selbstmordprävention, trotz Therapieangeboten und Notfallintervention steigen die Selbstmordraten. Lässt sich Selbstmord überhaupt wirksam verhindern?
Ja.
Und nein.
Selbstmordprävention beginnt bei der Geburt. Damit, dass wir alle Kinder als Geschenk auf unserem Planeten begrüßen, als willkommene Gäste in unserem Leben. Üben wir uns in Rücksicht auf unsere Mutter Erde. Üben wir uns in Geduld mit uns und unseren Mitmenschen. Lehren wir unsere Kinder, dass das Leben eine